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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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standhalten. Erwarte mich in genau fünfunddreißig Stunden, nachdem du erwacht bist, zurück. Dann wird Burne transportfähig sein, und wir können den Heimflug antreten. In der Pantry findest du etwas zu essen. Jetzt ist Sommer auf der Nerde, und die Berg-und-Tal-Bahnen sind in Betrieb. In Liebe, Francis.«
    Ein Stück getrocknetes Mool-Blut löste sich vom Skalpell und diente als i-Punkt im Wort »Francis«.
    Er kehrte ans Tageslicht zurück, verschloß die Luke. Großartig, dachte er voller Selbsthaß. Burne war Quetzalias erster General, und jetzt bist du sein erster Gefängniswärter. Ihr habt diesen Leuten wirklich gezeigt, was es heißt, menschlich zu sein.
    Er stieg auf den Wagen, lenkte den Lipoca in den sonnengefleckten Wald und nahm Kurs auf Tepec.

Minnix Cies rieb sich die Hände über dem geisterhaften Dampf, der aus seinem Tee aufstieg, die Handflächen zuerst nach unten gekehrt, dann nach oben. Aras, sein Vater, durchquerte die Küche, den einzigen großen Raum im Cottage und äußerte eine weitere Version seiner Es-ist-gut-daß-du- wieder-daheim-bist-mein- Sohn-Ansprache. Diesmal lautete sie: »Lix und Lapca werden ganz aus dem Häuschen sein, wenn sie dich sehen.«
    »Ich habe ihnen ein Geschenk mitgebracht«, sagte Minnix, »ein Wüstenjuwel, das summen kann.« Er hatte nie herausgefunden, warum seine Eltern, normalerweise sehr verläßlich in ihrer Unberechenbarkeit, den Zwillingen Stabreimnamen gegeben hatten. Jetzt waren die Jungen in Tepec und halfen einer gebrechlichen Tante, die Überwinterung vorzubereiten.
    »Lapca hat mich letzte Woche zum erstenmal besiegt – mit einer indischen Königin-Verteidigung.«
    »Werden Sie am Legendenabend hier sein?«
    »Ja. Wir hoffen, daß wir ein richtiges Familienfest feiern können.« Aras preßte seine alte Nase an das einzige Küchenfenster. Draußen hüpfte die frühe Morgensonne über die scharfkantigen Berge.
    Sie waren ein zähes Paar, Aras und seine Frau, und zweifellos die einzigen Quetzalianer, die das ruhmreiche Epitheton »Cuz-Jährlinge« verdienten. Während die Mehrheit in den Süden floh, blieben die Cieses hier und gingen ihrem Tagewerk nach, förderten und verkauften den wunderbaren Brennstoff namens Feuermoos, ohne den man den cuzianischen Winter nicht überleben konnte.
    Minnix kostete seinen Tee – zu heiß. »Ich will nicht darauf verzichten, Vater. Ich möchte die Lichterstadt sehen – und die Augen der Zwillinge.« Plötzlich sprang er auf. »Ich hab’s! Ihr könnt alle mit mir nach Aca kommen.«
    »Du weißt, daß das nicht geht.« Aras legte seine große Spinnenhand auf das Glimmerglas. »Cuz zählt auf uns.«
    »Sollen sie sich ihren gottverdammten Brennstoff doch selber suchen!«
    »Vielleicht im nächsten Jahr, wenn wir uns zur Ruhe setzen.« Aras’ Stimme klang nicht sehr überzeugt. »Bis dahin hält uns das auf den Beinen – und wir lieben den Schnee.«
    »Eines Tages werden diese Beine zusammenbrechen, und wir werden euch erst finden, wenn der Schnee schmilzt.«
    »Vielleicht im nächsten Jahr«, wiederholte dieselbe Stimme.
    »Dann sitzen wir in einer Sackgasse. Die ersten Debatten sind die wichtigsten. Wenn ich nächste Opoche nicht in Aca bin, wird Nazra nicht mehr zwischen Minnix Cies und dem Mann im Mond unterscheiden können. Woher kommt dieser Ausdruck eigentlich – >der Mann im Mond    »Ich glaube, die Erde hatte einen Mond. Aber ich weiß nicht, wer dieser Mann war. Luta müßte auch einen Mond haben. Wenn du Nazra so weit hast, daß er dir aus der Hand frißt, dann sag ihm, er soll einen Mond beschaffen.«
    »Das ist kein Witz. Die Nachkriegspolitik von Aca ist unglaublich wichtig – die bedeutendste Kernfrage, die Nazra jemals formulieren wird. Wenn wir die Wüste nicht sofort vereinnahmen – eine Stadt oder eine Straße oder sonstwas bauen –, werden die psychologischen Konsequenzen unabsehbar sein.«
    »Immer der Antistasist, was? Ich hätte einen Feuermooshauer großziehen sollen. Da wärst du am Legendenabend wenigstens daheim.«
    Minnix nahm die Pose eines Diskussionsredners ein. »Die Priester werden sagen: Tun wir so, als sei es nicht geschehen. Ziehen wir die Brücke hoch. Verbannen wir alle Erinnerungen an den Krieg. Aber das würde in Wirklichkeit heißen: Dreiundvierzig Quetzalianer sind vergebens gestorben. Eine Tradition des Friedens wurde grundlos beendet. Und in fünfzig oder dreißig oder vielleicht sogar schon in fünfzehn Jahren wird ein visionärer Landjunge, möglicherweise mein

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