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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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ich auch!« Mit einer wütenden Bewegung warf er die Lampe gegen das Fenster, schleuderte Glimmerglassplitter in den Morgen hinaus.
    Stille senkte sich über den Raum herab. Dann stieß Francis hervor: »Warum suchen wir uns nicht einen quetzalianischen Freiwilligen und injizieren ihm Noctus?«
    »Wie denn?« fragte Mool. »Sie haben doch gesehen, daß die Spritze zerbrochen ist.«
    »Ja, aber es gibt eine zweite. Burne hat sie in die Wüste mitgenommen.«
    Vaxcala seufzte. »Das gefällt mir nicht. Mit diesen Injektionen sollte doch nach Kriegsende Schluß sein.« Ihre traurigen Augen richteten sich auf Nazra. »Was schlagen Sie vor?«
    Der Gouverneur griff nach der Weinflasche und zertrümmerte sie auf den Glimmerglasscherben, die auf dem Fensterbrett lagen. »Dr. Lostwax soll diese Spritze holen«, erwiderte er heiser.
     
    »Ich habe keine Spritze.« Burnes Stimme erinnerte an einen Cortexclavus, der eine Schieferplatte durchbohrt. »Hast du wieder Diabetes?«
    »Nein, es geht nicht ums Insulin.« Das Fenster lockte Francis’ Blick von seinem Freund weg. Draußen schlief der Krankenhausgarten unter hohen Schneewehen.
    »Sie ist kaputt.«
    »Ganz kaputt?«
    Burne sagte nichts.
    Kaputt! Francis stöhnte vor Verzweiflung, als er an Mauern vorbeiging, auf denen keine Wandmalereien prangten. Der ganze Raum war bemerkenswert schmucklos wie eine Krone, die ihrer Juwelen beraubt ist. Hatte das Klinikpersonal seine Verachtung zum Ausdruck bringen wollen, als es Burne in dieses Zimmer verfrachtet hatte? »Ich will jemandem eine Noctus-Injektion geben.«
    »Deiner Freundin?«
    Eine Lüge wäre wohl das Beste. »Ja.« Sekundenlang schaute er direkt auf die Stelle, wo sich die Bettdecke hätte wölben müssen.
    »Ich dachte, sie wird vermißt.« Auch Burne betrachtete seine Asymmetrie.
    »Sie wurde gefunden.«
    »Hast du noch andere Neuigkeiten? Was halten die Einheimischen von meiner Kampagne?«
    Ja, es war am besten zu lügen. »Burne, du bist jetzt der Held von Quetzalia. Man spricht sogar von einer Statue.«
    »Eine Statue – das ist herrlich. Ich überlege nur, ob sie…«
    Francis unterbrach ihn. »Burne, wieso ist sie kaputt?«
    »Sie steckte in einem Lipoca. Das arme Vieh fiel darauf und zerbrach sie.«
    »Ich nehme nicht an, daß irgend jemand die Nadel gerettet hat?«
    »Es war Krieg, Lostwax.«
    Francis kratzte an seiner Chitzal-Narbe. Dann war alles klar – auf grausige Weise klar. »Ich werde für ein paar Wochen verreisen. Nach Norden – vielleicht bis nach Cuz. Wenn ich zurückkomme, wirst du dich erholt haben, und dann können wir heimfliegen.«
    »Kommt sie mit?«
    »Ich hoffe es.«
    »Eure Beziehung ist nicht gerade unkompliziert, was?«
    »Vielleicht wäre ich mit einem Nerdenmenschen glücklicher.«
    Burne griff nach einem Topf mit Cuiclo-Tee. »Was soll dieser Trip nach Cuz?«
    Francis erklärte, daß ein »Raubtier« dorthin unterwegs sei.
    »Ein Neurovore?«
    »So kann man’s auch nennen.«
    »Aber dem Massaker ist doch keiner entkommen«, erwiderte Burne ärgerlich.
    Francis ließ seinen Blick verstohlen über die Bettdecke wandern. »Muß wohl ein Vagabund sein.«
    »Ich würde dir gern helfen. Wenn meine Erektionen nicht nach Süden, sondern nach Norden gerichtet wären, hätte ich noch ein Bein, auf dem ich stehen könnte.«
    »Du hast deinen Verlust recht gut verkraftet, was?«
    Burne füllte in düsterem Schweigen seine Teetasse. Dann sagte er: »Du brauchst eine Waffe, Lostwax. Wenn ich deinen Job hätte, würde ich den Cortexclavus einsetzen.«
    »Der ist durchgebrannt.«
    »Im Schiff findest du mein Schwert.«
    »Ich will kein Schwert.«
    »Was wirst du denn dann benutzen?«
    Francis trat von einem Fuß auf den anderen. »Versprichst du mir, daß du nicht lachen wirst?«
    Der Tee verzerrte Burnes Gesichtszüge. Er nickte.
    »Ich werde es mit Liebe versuchen.«
    Burne lachte noch immer, als Francis schon hinausging.

Nördlich von Hostya erhebt sich ein großer Granitturm wie ein Grabmal aus der Erde, mitden eingravierten Namen der vier Bevölkerungszentren. Die Anordnung der Namen verrät dem Reisenden, welche Straße ihn ins Fischerdorf Uxco bringen wird, welche zur Gebirgsmetropole Cuz, welche zur Küstenhaupt-Stadt Aca und welche zur heiligen Stadt Tepec. In der Timlath-Opoche ist der Turm besonders nützlich, denn da verschwinden die Straßen unter einer Schneedecke, und der Reisende muß stehenbleiben und an dem Turm reiben wie an einer magischen Lampe, bis er den Namen seines Ziels

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