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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Bandagen.
    »Ich habe Ihnen mein Leben zu verdanken«, sagte Mool.
    »Und beinahe Ihren Tod. Ich hatte vor – sie menschlicher zu machen.«
    Mool berührte seine feuchte Schulter. »Zoco wird die Amputation vornehmen.«
    »Wann wird Burne reisefähig sein?«
    »Er kann frühestens in einer Opoche wieder ein Schiff steuern.«
    »Und wenn ich fliege?«
    »In zwei Tagen können wir ihn entlassen – auf keinen Fall früher. Er braucht absolute Ruhe. Außerdem müssen wir ständig den Verband wechseln.«
    Francis nickte langsam, hob das blutige Skalpell auf und steckte es in seine Manteltasche.
    »Warum nehmen Sie das mit?« fragte Mool.
    »Ich habe plötzlich das Gefühl, daß ich eine Waffe brauchen werde.«
     
    Sie hätte ihn getötet! Die Tatsache war ebenso unbestreitbar wie unglaublich – Francis stieg die Stufen der Pyramide hinab, die schlafende Tez auf dem Rücken. Den neugierigen Zuschauern erklärte er, sie sei in Ohnmacht gefallen. Für ihre gefesselten Hände und Füße gab er keine Erklärung ab. Im Wagen, wo er sie in Decken wickelte, sah sie genauso aus wie die anderen Gepäckstücke, die von Cuz oder Uxco nach Tepec reisten. Man stellte ihm keine Fragen mehr. Die Menge trieb sich auf der Plaza herum, versuchte irgendwo ein warmes Plätzchen zu finden.
    Sie hätte ihn getötet! Francis stieg auf den Wagen und lenkte den Lipoca zur Verwandtschaftsstraße. Hufe schlugen auf vereisten Stein. Die Straße führte nach Osten – nach Aca – und in westlicher Richtung zum Wald, zur Mauer. Sie hätte ihn getötet… Er fuhr nach Westen.
    Die Straße schlängelte sich dahin, die Bäume zogen vorüber wie Treibgut, und Francis grübelte, sah sich als verurteilter Zauberer in seinem Lieblings-Kino-Epos, »Geisterdinge«. Er lag im Staub, und jedes seiner vier Gliedmaßen war an ein anderes Pferd gebunden, jedes Pferd strebte in eine andere Richtung.
    Ein Viertel seines Ichs, das Tez liebte, wollte sofort mit ihr zur Nerde fliegen und Burne zurücklassen. Das Viertel, das Tez bemitleidete, wollte sie ins Olo bringen und sie in den Armen halten, während sie tobte. Das Viertel, das Tez fürchtete, wollte den Wagen irgendwo stehenlassen und flüchten, bevor sie erwachte und ihn angreifen würde. Das Viertel, das Tez verstand, erkannte ganz klar, daß seine Anwesenheit ihre Krankheit nur verschlimmerte, so daß es am besten wäre, sie einzusperren wie den Werwolf in »Geisterdinge«, bis Noctus aus ihrem Gehirn gewichen war. Vorausgesetzt, Noctus würde jemals aus ihrem Gehirn weichen.
    Er zügelte den Lipoca vor dem Tolca-Tempel, sprang vom Wagen und hievte Tez auf seine Schulter. Der Schnee brachte ihn fast aus dem Gleichgewicht. Stolpernd trug er seine seltsame Bürde zur Brücke, und die Türsteherin fragte: »Wer ist denn das?«
    »Der letzte Neurovore. Warum sind Sie immer noch hier? Quetzalia braucht keine Wachtposten mehr.«
    »Gewohnheiten sind nicht so wie Menschen«, erwiderte sie. Sarkasmus und Nerden-Haß standen ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. »Sie können nicht so schnell getötet werden. Ich glaube, wenn Ihre dicke Maschine verschwunden ist, wird man mir befehlen, die Brücke hochzuziehen.«
    »Sie werden sie wieder senken müssen. Eines Tages wird Quetzalia Kolonien da draußen haben.«
    »Möglich«, grunzte sie.
    »Ziehen Sie das Fallgitter hoch.«
    In seiner Kabine angekommen, legte er Tez auf die Koje und musterte ihr Gesicht. Sie sah verletzlich aus, neugeboren, schön. Er drückte seine Lippen auf die ihren und betete zu Iztac, sein Kuß möge ihr Unschuld verleihen, wenn sie erwachte.
    Er holte ein schimmerndes Sortiment Konservendosen aus der Kombüse, trug sie in seine Pantry. Daraus konnte man ein halbes Dutzend Mahlzeiten bereiten – genug, so daß er Tez für zwei Tage einsperren konnte. Nach zwei Tagen Abstinenz würde sie, so hoffte er, von ihrer Sucht befreit sein, und die Überdosen würden den Appetit der Bakteriophagen wecken oder, wie Janet Vij es ausgedrückt hatte, durch die normalen Prozesse der Enzyme, Drüsen und des Duktus vernichtet werden.
    Francis ging zu seinem Schreibtisch, griff nach einem Elektrostift und einem Blatt Papier, begann zu schreiben. Er strich den Zettel glatt und legte ihn zwischen das Skalpell und den Elektrostift. Dieses Arrangement konnte ihrem Blick nicht entgehen, wenn sie erwachte.
    »Ich habe dich an Bord der Darwin gebracht, an den einzigen Ort in Quetzalia, den man abschließen kann. Die Kabine wird sogar deiner Zerstörungswut

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