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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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menschlichem Bestreben, mit einem menschlichen Werkzeug. Francis, Luther und Burne erschauerten im Unisono.
    »Ein Kopf wird nie aus einem einzigen Grund aufgespalten«, sagte Kappie sanft.
    »Ich habe keine neurochirurgischen Kliniken am Horizont gesehen«, wandte Burne ein.
    »Und das zwingt uns zu der Annahme, daß das Gehirn zu Nahrungszwecken verwendet wurde.« Sie reichte ihre Entdeckung an Burne weiter. »Die Narben im Inneren unterstützen diese Vermutung.«
    »Ja«, bestätigte er. »Und schau dir mal das foramen magnum an. Diese Spezies bewegt sich aufrechtgehend fort.«
    »Hör auf, so verdammt deduktiv zu sein!« stieß Kappie erbost hervor. »Erkennst du keinen männlichen erwachsenen Menschen, wenn er dir ins Auge springt?«
    Francis biß sich unwillkürlich auf die Zunge, worauf ihm die Tränen kamen. »Freunde, ich habe mir gerade was überlegt… Könnte ich vielleicht an Bord bleiben?«
    »Ich stimme dagegen, Lostwax«, entschied Burne. »Dieser Schädel ist eine lausige Neuigkeit, und wir sollten lieber damit beginnen, eine kleine Armee zu formieren. Und ich habe das Gefühl, daß wir Kannibalen umbringen werden, noch bevor die Woche sich ihrem Ende neigt.«
    »Ich kann nicht töten«, protestierte Francis. »Das ist wider meine Natur.«
    »Die Hummel kann nicht fliegen«, bemerkte Luther. »Das ist wider ihre Natur. Sie ist zu schwer für ihre kleinen Flügel.«
    »Das brauchst du mir nicht zu sagen.«
    »Wieso bleibt sie dann trotzdem in der Luft?«
    Francis dachte eine Weile nach, dann lächelte er schwach. »Es ist zwar nicht allgemein bekannt, aber die Hummeln sind von einem unbeirrbaren Wunderglauben erfüllt.«
     
    Sie wären schon am frühen Morgen aufgebrochen, aber Kappie und Burne hatten zu streiten angefangen. Die ersten Sonnenstrahlen schienen durch Francis’ Bullauge und fingen sich gerade auf seinem Bauch, als zwei Stimmen an sein Ohr drangen – laut, aber nicht schrill – spöttisch, aber nicht ironisch. »Du hast den Verstand verloren!« – »Du bist kein Wissenschaftler!« Er blinzelte, um wach zu werden, im gleichen Augenblick stürzten Kappie und Burne herein.
    »Hallo, Freund Lostwax, wie hast du geschlafen?« fragte Burne.
    »Versuch nicht, ihn weich zu machen!« rief Kappie. »Lieber Francis, du sollst einen Streit zwischen uns schlichten.«
    »Wie ich geschlafen habe? Was glaubt ihr wohl, wie ich in einem Kannibalenland geschlafen habe?«
    »Burne besteht darauf, daß wir mit möglichst wenig Gepäck auf Reisen gehen«, berichtete Kappie. »Wir sollen nur was zu essen, ein Proximaskop und sein Fermentgewehr mitnehmen. Aber ich finde – zum Teufel –, wir sind die ersten Wissenschaftler auf diesem Planeten. Wir dürfen die Wissenschaft nicht verraten, nur weil wir dadurch vielleicht einen oder zwei Tage verlieren würden. Wir müssen Kameras mitnehmen, Bodenprobenkästen, Sonden, Schaufeln. Wir stehen vor der größten Entdeckung seit – seit dem Cortexclavus areteus.« Sie lächelte kokett.
    Damit hatte sie den richtigen Ton getroffen. »Was sagt Luther dazu?«
    »Er steht auf meiner Seite.«
    Komm schon, Lostwax, dachte Francis. Willst du Burnes Marionette sein? Außerdem hat Kappie schöne volle Brüste. »Ich glaube, ich bin auch auf deiner Seite.«
    In gespielter Verzweiflung hob Burne die Hände und marschierte aus der Kabine.
    Kappie warf Francis einen zufriedenen Blick zu. »Wenn wir Burnes Mundwerk über das Gitter des Beschleunigers kleben könnten, hätten wir genug Energie, um von hier wegzukommen und den Rest der Milchstraße abzugrasen.«
    Gegen Mittag hatten sie das Magnumauto von Bord gebracht, mit den Utensilien vollgestopft, die sie im Dienste der Wissenschaft und für das Leben in der freien Natur brauchten, und das Schiff zugesperrt. Jeder Forscher trug einen Schlüssel bei sich, einen unregelmäßigen Zylinder, der an einer Schnur von seinem Hals hing. Francis nahm die zwei wichtigsten Dinge seines Lebens mit – den Insulinkasten und seinen Korkenzieherkäfer.
    Als sich alle ins Auto gezwängt hatten, tippte Kappie, die auf dem Vordersitz kauerte, die richtigen Längen- und Breitengrade in den Mikrocomputer. Das Magnumauto begriff, worum es ging, drehte sich um zwanzig Grad und ratterte in einem wenig eindrucksvollen Tempo los. Francis spähte durch die Rückwand der Sichtblase undertrug seine Nackenkrämpfe so lange, bis die Darwin zu einer winzigen Metallmuschel an einem endlosen Sandstrand zusammengeschmolzen war.
    Eine Stunde später wichen

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