Der Wein des Frevels
Freiwilliger: »Wozu? Wir können Sie doch ohnehin hören.«
»Wir brauchen Banner.«
»Wozu? Wir können Sie ja sehen.«
»Wir müssen Regimenter bilden. Aus den Regimentern werden Bataillone formiert, aus den Bataillonen Kompanien, aus den Kompanien Abteilungen und aus den Abteilungen Schwadronen. Das ist es, was wir hier brauchen – Organisation!«
»Wozu? Wir wissen doch, wer wir sind.«
Je länger Francis seinem Freund zuhörte, desto größer wurde seine Verwirrung. »Ich verstehe das nicht. Eine Armee ist ein Riesendurcheinander – und trotzdem rechnest du mit einem Sieg.«
»Natürlich. Diese Soldaten können genau das, was Soldaten können müssen – mit Waffen umgehen.«
»Hast du sie im Duell beobachtet?«
»Natürlich nicht. Quetzalianer würden niemals die Klingen kreuzen – aus keinem Grund. Aber ich bilde sie als Langbogenschützen aus, und damit packen wir die Neurovoren. Natürlich nehmen wir auch andere Waffen in die Wüste mit, aber dieser Krieg wird aus der Ferne gewonnen, das verspreche ich dir.«
»Können sie denn schon Bogenschießen?«
»Allmählich kommen sie in Übung.« Burne berichtete, daß sich jeder Freiwillige einen Bogen gebastelt und schon so oft ins Schwarze getroffen habe, daß der Rest der Zielscheibe praktisch überflüssig war.
»Offensichtlich betrachten sie das Bogenschießen nicht als Aggression.«
»Nein, sondern als Spiel. Außerdem können sie reiten. Wenn ein Quetzalianer auf einem galoppierenden Lipoca sitzt, kann er aus fünfzig Metern Entfernung in die Titten einer Pikdame schießen. Zum Teufel, das ist die beste leichtbewaffnete Kavallerie im Solarsystem!«
»Da siehst du’s! Alles wird wunderbar klappen. Ich würde euch nur im Weg herumstehen.«
»Eigentlich müßte ich wütend auf dich sein –, aber wer bin ich schon, daß ich es wagen könnte, zwischen dich und die Liebe deines Lebens zu treten?«
Francis fröstelte in der kühlen Herbstluft und verkündete, daß er nun den nächstbesten Herd aufsuchen würde. »Aber eine Frage habe ich noch. Warum bist du nur Brigadegeneral? Warum nicht Vier-Sterne-General?«
»Weil ich mir noch einen Rang freihalten muß, damit ich mich befördern kann, wenn wir den Krieg gewonnen haben.«
Francis schüttelte seinem Freund die Hand und schlug mit einem breiten Grinsen die Richtung zu Nazras Küche ein. Der gute alte Burne…
Die nächsten zwanzig Tage waren die schönsten, die Francis jemals auf Luta oder irgendeinem anderen Planeten erlebt hatte. Ein- oder zweimal – manchmal sogar dreimal am Nachmittag bekam er Besuch von irgendeinem Tepecaner, der dem Nerdenmann dafür danken wollte, daß er sich moralischer verhielt als die Antistasisten von Quetzalia. In der heiligen Stadt braute sich eine leidenschaftslose Antikriegsbewegung zusammen, und Francis war ihr Aushängeschild geworden. Für seine Nachmittagsgäste repräsentierte er ein großes Potential der Humanität – die Möglichkeit, daß der Pazifismus eine ebenso natürliche menschliche Eigenschaft war wie die Aggressionsbereitschaft.
Das Phantasieren wurde zur Hauptbeschäftigung seines Denkens. Wenn er seine Lieblingsplätze aufsuchte – den Garten des Olo, die sauberen Straßen von Tepec –, begleiteten ihn mentale Bilder wie wohlwollende Geister. Er sah sich selbst als Professor im Galileo-Institut, und in seinem Büro wimmelte es von Preisen und mehreren Korkenzieherkäfergenerationen. Er sah Tez an seiner Seite, und sie verblüffte alle Nerdenärzte mit ihren unheimlichen Kenntnissen in der Volksheilkunst. Und er sah einen kleinen Jungen – manchmal war es auch ein Mädchen –, der seinen Vater bat, mit ihm in den Zirkus zu gehen. Natürlich gingen sie und amüsierten sich königlich.
Natürlich hing die Verwirklichung all dieser Träume von einem quetzalianischen Sieg ab. Jeden Morgen wurde er von Zweifeln gequält und mußte sich immer wieder vergegenwärtigen, daß Burne Newman alles konnte, was er wollte.
Tez’ Tage waren von einer Aufregung erfüllt, die manchmal beängstigend war, aber meistens Spaß machte. Sie war kein Mensch, der über einmal getroffene Entscheidungen nachgrübelte, nicht einmal über Entscheidungen, die man rückgängig machen konnte, und sie wußte, daß man nachdenkliche Momente mit hektischer Betriebsamkeit überbrücken konnte. Sie sammelte ihre Instrumente im Chimec-Hospital ein, verkaufte den Plunder, der sich im Laufe ihres Lebens angesammelt hatte, packte ihre Marionetten in Feldkisten – und
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