Der Wein des Frevels
all diese Tätigkeiten bestärkten sie in ihrer Überzeugung, daß sie auswandern würde, auswandern mußte, daß dies ein beneidenswertes Abenteuer war und keineswegs ein Grund, Trübsal zu blasen.
Die Stunden, die Tez und Francis gemeinsam verbrachten, bewiesen ihnen immer wieder, daß sie eine ideale Partnerschaft eingegangen waren. Mit Hilfe geistiger Disziplin und einer Pflanze namens Mutterkraut entging Tez den vertrackten Übelkeitsanfällen und dem sexuellen Desinteresse, das in vielen frühen Schwangerschaften zu beobachten ist. Wenn sie nicht im Bett Vergnügen fanden, schlenderten die Liebenden durch die Stadt oder ritten aufs Land hinaus, und sie schrieben zusammen ein Puppenspiel mit dem Titel »Der Schwangerschaftswalzer«.
Nicht weit vom Olo wurde ein Nationalpark angelegt, und am Eröffnungstag mieteten Tez und Francis ein Kanu und erforschten einen düsteren künstlichen Sumpf namens Hexenmoor. Ringsum wimmelte es von zischenden aus dem Bayou des Großen Geistes importierten Reptilien, die ihr Bestes taten, um alle Besucher zu amüsieren.
Es geschah an diesem Tag, daß eine vage Angst in Francis aufstieg. Er saß da, sah seine schöne Verlobte an, ihren sinnlichen Mund, den runden befruchteten Bauch – ein Anblick, der normalerweise nur erfreuliche Gefühle weckte –, und da überfiel ihn plötzlich die Erinnerung an jene Worte, die Burne einmal gesagt hatte, wie ein heißes Fieber. »Haben die Quetzalianer ihre Menschlichkeit geopfert – ihrer absoluten häuslichen Ruhe zuliebe?«
Hatten die Quetzalianer ihre Menschlichkeit geopfert?
Tez’ Menschlichkeit war über alle Zweifel erhaben. Das wußte er. Und er beschloß, diesen Gedanken zu verdrängen.
Doch er kam immer wieder zurück wie ein Vogel im Frühling.
Brigadegeneral Burne Newman stapfte durch das kalte Licht der Abenddämmerung zu seinem Zelt, eine Öllaterne in der Hand, mit schwingendem Arm und schaukelnder Flamme. Er schlug die Zeltklappe zurück, und da bot sich ihm ein Anblick, den er am allerwenigsten erwartet hätte – ein menschliches Gesicht. Es gehörte ausgerechnet Lostwax.
»Was ist passiert? Hast du dich wieder mal mit deiner Liebsten gestritten? Soll ich ihren Flug stornieren?« Burne stellte die Laterne auf einen Tisch, der mit Pfeilen, Noctus-Töpfen, selbstgebastelten Kompassen und Francis’ Insulinkasten bedeckt war.
»Ich muß mit dir reden.«
»Mein Zeitplan ist ziemlich ausgefüllt.«
»Beantworte mir nur eine einzige Frage – was glaubst du, wie es Tez auf der Nerde ergehen wird?«
Burne ließ sich auf das Feldbett fallen und zupfte an seinem Bart. »Du meinst, was wohl passieren wird, wenn eine Pazifistin an einen Ort verpflanzt wird, wo die Gewalt als etablierte Geschäftsmethode gilt? Darüber würde ich mir an deiner Stelle keine Sorgen machen.«
Aber Francis hielt Beispiele parat. Wenn man zum Beispiel sein funktionsunfähiges Magnumauto in eine Nerdenreparaturwerkstätte bringt und jedes zweite Mal mit einem Magnumauto von dannen zieht, das nicht repariert wurde, an dem nur ein bißchen rumgebastelt wurde – oder mit einem Magnumauto, das nicht nur repariert, sondern völlig überholt wurde, so daß man für Reparaturen zahlen muß, die man gar nicht verlangt hat… In solchen Situationen muß man seinem Zorn Luft machen, mit erhobenem Zeigefinger oder mit der Faust. Und dann gibt es natürlich unverhohlene Gewaltakte, selten, aber immerhin… Wenn ein Rowdy versucht, einem die Brieftasche zu entreißen, oder wenn man in einer dunklen Gasse einem Sexualverbrecher begegnet, muß man beinhart sein, denn dann geht’s ums Überleben.
Bevor Francis noch einen weiteren potentiellen Fall schildern konnte, zuckte Burne mit den Schultern und sagte: »Soweit ich meinen Planeten in Erinnerung habe, kann man dort alt und grau werden, ohne eine einzige Vergewaltigung oder übermäßig viele ungerechtfertigte Reparaturrechnungen verkraften zu müssen. Was stört dich denn nun wirklich?«
Und da brach es aus Francis hervor, und er gestand ihm alles. Die wahre Wurzel seiner Angst war die Frage, die Burne an jenem Abend gestellt hatte, als sie auf die Idee gekommen waren, einen Krieg zu inszenieren. »Haben die Quetzalianer ihre Menschlichkeit geopfert – ihrer absoluten häuslichen Ruhe zuliebe?« Trotz ihrer Schönheit und Intelligenz, ihrer Fähigkeit, Kinder zu gebären und Liebe zu schenken, war Tez für Francis kein ganzer Mensch.
Burne sagte nichts, das die Zweifel seines Freundes zerstreut
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