Der Wein des Frevels
mürrisch, Erdenmann? Du ziehst ja nicht in den Kampf.«
»Ich habe nun mal ein mürrisches Wesen.«
»Wie schön für dich, Lostwax! Spotte, runzle die Stirn, fühl dich miserabel – was es auch sein mag, es ist wunderbar, denn du wirst morgen noch am Leben sein.«
Endlich sagte Francis: »Bring mir ein Souvenir mit.«
Burne faßte nach dem Griff des Schwertes und zog es weit genug aus der Scheide, daß sich die Sonne darin spiegelte. »Ich werde dir ein hübsches, schimmerndes Raumschiff mitbringen.«
»Viel Glück! Und laß dich nicht fressen – oder sonstwas.«
Burne ließ das Schwert los, und es glitt in die Scheide zurück. Er schwang seinen Lipoca herum und ritt zum Tor, wo eine mißgelaunte Zivilistin zweifelnd zur Winde aufblickte. Als Burne ihr zunickte, begann sie das Seil abzuspulen.
Es war das zweite Mal, daß Francis und Burne das Fallgitter himmelwärts steigen sahen, während sich die massive Brücke knarrend auf das andere Ufer hinabsenkte. Die Erinnerung jagte ihnen Schauer über den Rücken. Einen Kilometer von hier entfernt schrubbte der Fluß Luthers Gebeine.
Burne ritt auf die Planken, sobald sie zum Stillstand gekommen waren. »Nieder mit allen Gehirnfressern!« brüllte er und hoffte, seine Soldaten würden den Schrei wiederholen. Statt dessen trabten sie stumm ins feindliche Territorium. Die winkenden Arme der Sympathisanten erhoben sich von der Mauer, die Kriegsgegner begannen zu buhen.
Als Francis die Sprache wiederfand, war der letzte Zivilist nach Hause aufgebrochen, und die Erste Armee war schon weit in die Wüste vorgedrungen. »Jetzt können wir ja gehen.«
»Dabei wird nichts Gutes herauskommen«, meinte Tez. »Wenn sie die Schlacht verlieren, werden die Neurovoren alle abschlachten. Und wenn sie siegen, wird Zolmec für immer ein Makel anhaften –, und ich werde ein Nerdenmensch.«
Plötzlich sah Francis seine Chance gekommen, ein unaussprechliches Thema anzuschneiden. »Ich weiß, daß es dir widerstrebt, von hier wegzugehen. Und du hast mehr Gründe, die Nerde zu fürchten, als du ahnst. Du wirst vielleicht nicht in diese Welt passen.«
»Nicht passen?«
Er schluckte hörbar. Wie sollte er ihr das nur klarmachen? Aber er mußte es tun – mußte es versuchen. »Ich meine – findest du nicht auch, daß unsere Zukunftspläne vielleicht ein bißchen wirklichkeitsfremd sind? Es ist durchaus zweifelhaft, ob du in meiner Heimat glücklich sein wirst. Die Nerdenbewohner sind ganz anders als die Quetzalianer.«
Lächelnd massierte sie das Baby in ihrem Bauch. »Glaubst du, daß ich einen Grashüpfer gebären werde?«
»Angenommen, eine Nerdenfrau kauft einen Musikrecorder, und der funktioniert nicht, wenn sie nach Hause kommt. Sie bringt ihn zurück, aber sie kriegt ihr Geld nicht wieder, weil der Verkäufer behauptet, sie hätte ihn zerbrochen. In diesem Augenblick fängt die Kundin zu schreien an und stößt wilde Drohungen aus. Aber was könntest du tun?«
»Ich könnte die Reparatur bezahlen.«
»Eine kostspielige Reaktion.«
»Kann man diese Recorder nicht reparieren?«
»Es könnte auch was anderes sein. Zum Beispiel ein Elektrostift.«
»Ach, Unsinn, Francis, man braucht nicht Attila der Hunnenkönig zu sein, wenn man einen lausigen Bleistift umtauschen will!«
»Und wenn jemand versucht, dich zu vergewaltigen?« platzte Francis heraus. »Du wärst hilflos. Burne hat das bewiesen – mit einem eurer weiblichen Kuriere.«
»Burne ist ein Neurovore.«
»Was würdest du tun?«
Sie überlegte eine Weile und antwortete dann: »Ich glaube, ich würde versuchen zu überleben, so gut es geht – genauso, wie ich versuchen würde, eine Überschwemmung oder einen Sturz in die Tiefe zu überleben.«
»Manche Frauen sterben, wenn sie vergewaltigt werden.«
»Manche Leute sterben auch bei Überschwemmungen.«
»Tez, ich habe eine Idee. Du hättest die Möglichkeit, aggressiv genug zu werden, um alle Probleme auf der Nerde zu meistern.«
Sie steckte einen Finger in ihr Halsband, um den Druck auf die Jugularvene zu mildern. »Hoffentlich nicht!«
»Ich weiß, wovon ich rede. Drei cm 3 befähigen einen Menschen, sich zu verteidigen. Du hast Zamanta und Momictla beobachtet. Es hat ihnen nicht weh getan – kein bißchen.«
»Willst du mich mit Noctus vergiften?«
»Plus einer Wiederholungsimpfung nach sechs Tagen, einer weiteren nach vierundzwanzig… Das steht alles in Janet Vijs Notizen.«
»Francis, ich bin schwanger.«
»Noctus ruft keine Mißgeburten
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