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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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hervor. Das haben unsere Tierversuche erwiesen. Die Droge kommt nicht einmal in die Nähe der Placenta.«
    »Ihr Vivisektionisten denkt wirklich an alles.« Sie stieß mit der Ferse gegen die Steinstraße und ging zur Treppe. »Ich will nichts davon wissen.« Er folgte ihr, zog das grüne Päckchen aus seiner Robe. »Du darfst keine überstürzte Entscheidung treffen.« Als er die Spritzte auswickelte, explodierte ein Iztac-Strahl auf dem kalten, unsterblichen Metall der Nadel.
    »Gott der Gehirne! Genügt es denn nicht, daß ich meinen Planeten aufgebe? Muß ich auch noch meine Persönlichkeit aufgeben?«
    »Deine Persönlichkeit? Die Injektionen würden dir nur zugute kommen. Dadurch würdest du…«
    »Was?«
    »Menschlicher.«
    Tez’ Augen verengten sich zu kleinen Perlen aus geschmolzenem Stahl, ihre Mundwinkel zogen sich nach unten, als wären sie von Fischhaken erfaßt worden. »Ich will versuchen, so zu tun, als hättest du das niemals gesagt, Francis Bastard Lostwax.« Sie warf den Kopf zurück, um ihr Wolfsemblem zu zeigen. » Wölfe sind aggressiv – und Vögel auch – und eure verdammten Küchenschaben. Die Menschen sind nur deshalb einzigartig, weil sie diese Fähigkeit ständig auf sinnlose Weise einsetzen. Die Nerdenbewohner schmeicheln sich, wenn sie ihre Grausamkeit menschlich nennen. Sie sollten ihre Zurückhaltung tierisch nennen!«
    »Ich will dir nur helfen, in einer rauhen Welt zu überleben. Denk ein paar Tage darüber nach, und dann…«
    Sie zeigte mit einem bebenden Finger auf die Spritze. »Tu deinen Penis weg, Francis. Ich habe schon darüber nachgedacht…« Plötzlich lachte sie. »Hör mal, dieses Gespräch ist richtig komisch. Auf der Erde kann ich meine Riten nicht praktizieren. Allein schon das wird mir helfen, mich eurem Lebensstil anzupassen, wie immer er auch aussehen mag. Ich kann dir nicht versprechen, unser Kind zu schlagen oder die Nachbarn zu foltern, aber ich glaube, ich werde dir ähnlicher werden.«
    »Du stellst nur Vermutungen an. Der Burggraben ist direkter.«
    »Warum, glaubst du wohl, verlangt Zolmec von uns, daß wir keinen einzigen Gottesdienst versäumen. Wenn ich den Tolca-Tempelnicht mehr betrete, werde ich so verdammt menschlich sein, wie du es haben willst.«
     
    Erst als Francis die blinde Frau auf der Abschiedsparty getroffen und getestet hatte, begann er zu bezweifeln, daß die Zolmec-Abstinenz ausreichen würde, um Tez von ihrem Pazifismus zu befreien.
    Die blinde Umia sah aus, als sei sie mindestens fünfzig, war dünn wie ein Elektrostift und während der ersten Hälfte des Abends die Hauptattraktion. Sie saß auf dem Boden, mitten im größten Salon des Olos, und erfand für jeden, der zuhören wollte, wundersame Phantasiegeschichten, mit schwarzem Humor gewürzt. Sie erklärte, diese Geschichten würden dazu dienen, den Geist zu entwirren. Eine handelte von einem schurkischen, aber scheinbar gesunden Mann, der sich am Ende als Krüppel entpuppte, und eine andere von einem toten Ferkel, daß sich ein Haus aus Ektoplasma baute.
    Die Party war Huacas Idee gewesen. Jetzt, da er von Tez um fünfzig Millionen Kilometer getrennt werden sollte, fand er, daß er etwas Gutes für sie tun müsse. Seine Güte erstreckte sich jedoch nicht so weit, daß er sein Haus für die Party zur Verfügung stellte. Statt dessen forderte er alle Freunde und Verwandte auf, seine Schwester im Olo zu überraschen.
    Nachdem sie ihre mädchenhafte Tendenz, Partys mit vorübergehenden Krankheiten zu assoziieren, überwunden hatte, wurde sie immer fröhlicher, je mehr Gäste eintrafen. Huacas Initiative machte ihr bewußt, daß er trotz seiner chronischen Reserviertheit und seines Hanges, sich in seinem Schneckenhaus zu verkriechen, ein liebenswerter Bruder war. Francis hatte sie noch nie innerhalb einer einzigen Stunde so oft lachen sehen.
    Mitternacht kam und ging vorüber, und die Gästeschar rings um Umia begann sich in andere Teile der Villa zu zerstreuen. Eine geschlagene halbe Stunde lang reichten Tez’ Freunde Francis herum wie einen Sprengball und verlangten, daß er ein paar banale Geheimnisse hinsichtlich seiner Kultur enthülle. Halten die Nerdenbewohner ein Mittagsschläfchen? Halten sie Haustiere? Er wartete bereits darauf, daß man ihn gleich fragen würde, ob er niesen könne.
    Von allen Quetzalianern, die an der Party teilnahmen, konnte nur Umia sein Interesse wecken. Schließlich kehrte er in den großen Salon zurück und bahnte sich einen Weg zu der Schüssel

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