Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der weiße Neger Wumbaba kehrt zurueck

Titel: Der weiße Neger Wumbaba kehrt zurueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Hacke , Michael Sowa
Vom Netzwerk:
revisionistischem Gelächter auf dem Schulboden wälzte.
    Ein anderes, selbstverständlich nicht weniger antifaschistisches Lied hieß Der kleine Trompeter , darin die Zeile: »… wie unser kleiner Trompeter, ein lustiges Rotgardistenblut.«
    Das klingt an sich schon wie ein Verhörer, ist es aber nicht, denn der Verhörer lautet: »… ein lustiges Rotkraut ist im Blut.«
    Es handelt sich dabei um eines jener Exemplare, die mir in großenMengen zugingen, vom erwähnten Herrn K. aus Jena ebenso wie Frau A. aus Chemnitz, von Herr D. und vielen anderen.
    Bleiben wir beim Gemüse. Auch Frau L. aus Schwarzenberg wuchs in der DDR auf, wo die Jungen Pioniere das Lied der jungen Naturforscher sangen, das mit den Zeilen beginnt: »Die Heimat hat sich schön gemacht, und Tau blitzt ihr im Haar…«
    L.s Schwester fragte eines Tages ihre Mutter, was »tauplitziertes Harr« sei, denn sie hörte: »Die Heimat hat sich schön gemacht, mit tauplitziertem Harr.«
    Noch rätselhafter wird es im gleichen Lied ein paar Zeilen später, wo Frau M., eine andere Leserin, hörte: »Der Heimatpflanzen Ungetier behütet uns’re Hand…«
    Das ist wirklich eine der rätselhaftesten Zeilen, die mir untergekommen sind. Heimatpflanzen – das mag man noch verstehen, das ist vielleicht Rotkraut, für das Blut. Aber »der Heimatpflanzen Ungetier«?
    »Löwen, Blattläuse?«, rätselt Frau M. Und warum soll unsere Hand dieses Ungetier behüten, das doch vermutlich von den Faschisten eingeschleust wurde, um die DDR zu unterwühlen? Oder ist es andersherum gemeint: Behütet das Ungetier unsere Hand? Das klingt nun so, als sei die Heimatpflanze selbst ein Ungetier. Erst viel später erfuhr Frau M., dass es hieß: »Der Heimat Pflanzen und Getier behütet uns’re Hand…«
Von Zwibbeln, Zwippeln, Zwiebeln, Rost und Russen: Wer fraß wen in den Buddenbrooks?
    Vor Jahren schickte mir Herr K. aus Hamburg die Kopie eines Aufsatzes aus dem Thomas-Mann-Jahrbuch Nr. 17 , verfasst von dem Juristen und Literaturkenner Thomas Vormbaum. Es ging darin um die Buddenbrooks und jene Stelle, an der die Konsulin nach dem Tod ihres Mannes (dessen Vermächtnis und eigenen Neigungen folgend) allerhand Prediger einlädt, deren einer die Hausgemeinde zu einer »feierlichen, glaubensfesten und innigen Melodie« folgenden Text singen lässt (die Zeile, auf die es hier ankommt, habe ich kursiviert):
    » Ich bin ein rechtes Rabenaas,
    Ein wahrer Sündenkrüppel,
    Der seine Sünden in sich fraß,
    Als wie der Rost den Zwippel.
    Ach Herr, so nimm mich Hund beim Ohr,
    Wirf mir den Gnadenknochen vor
    Und nimm mich Sündenlümmel
    In deinen Gnadenhimmel!«
    Germanisten haben sich lange mit der Frage beschäftigt, ob das ein echtes Kirchenlied sei oder ob Mann es selbst verfasst habe. Vormbaum aber wirft in seinem kleinen Essay zum ersten Mal und zu Recht die Frage auf, was eigentlich ein »Zwippel« sei und inwiefern Rost ihn fressen könne. Nachdem das selbst bei einem Abendessen unter Literaturwissenschaftlern nicht zu klären war,setzte sich ein Mitarbeiter Vormbaums an den Computer und fand via Google zu einer einzigen wesentlichen Fundstelle, einem Aufsatz von Friedrich Engels nämlich!
    Engels erwähnt dort einen Mitte des 19. Jahrhunderts populären Autor namens Wilhelm Wolff, der wegen antiklerikaler Schriften von der Zensur verfolgt wurde. Wolff hatte es sich zur Aufgabe gemacht, in satirischer Absicht Kirchenlieder nachzudichten oder ganz neu zu verfassen, darunter auch dieses vom Rabenaas. Es lautet indes bei Wolff in den entscheidenden Zeilen:
    » Ich bin ein rechtes Rabenaas,
    Ein wahrer Sündenkrüppel
    Der seine Sünden in sich fraß
    Als wie der Russ’ die Zwippel .«
    Engels schrieb dazu, das Lied sei »wie ein Lauffeuer« durchs Land gegangen, »das schallende Gelächter der Gottlosen, die Entrüstung der ›Stillen im Lande‹ hervorrufend«. Und Vormbaum ergänzt, so einfach sei also die Antwort auf die Zwippel-Frage, es gehe um die vermeintliche Vorliebe der Russen für Zwiebeln. Oder schwinge, so weiter Vormbaum, Antisemitisches mit, wie man es auch bei Wilhelm Busch finde (»Die Zwiebel ist der Juden Speise«)? Das lässt sich kaum klären.
    Die Frage ist bloß, woher Mann eigentlich seine Textversion hatte. Vormbaum: »Ob auch er sie in einem alten Gesangbuch gefunden hat (warum dann aber die unverständliche Fassung?), ob er sie falsch aus dem Gedächtnis zitiert hat, ob er sie bewusst verfremdet hat (warum aber?) – jedenfalls ist der Text in der Wolff

Weitere Kostenlose Bücher