Der weiße Neger Wumbaba kehrt zurueck
’schen Fassung schlüssig.«
Und in der Mann’schen nicht. Die Antwort ist vielleicht: Mann hat sich verhört. Er war einer von uns. Und nicht nur er.
Denn kaum hatte ich in Das Beste aus meinem Leben von Vormbaums Aufsatz berichtet, schrieb mir Herr F. aus Gröbenzell, seiner Ansicht nach sei es umgekehrt: Nicht der Rost und auch nicht der Russ’ fresse den Zwippel, sondern die Zwibbel verzehre den Rost. »Die Hausfrau beseitigte mit dem scharfen Zwiebelsaft den ständig neu ›anfliegenden‹ Rost von Messerklingen und Bestecken. So noch zu meiner Jugendzeit in den 30er, 40er Jahren.«
F. fügte seinem Brief eine kopierte Seite aus Otto von Corvins Pfaffenspiegel an, einem – ganz in Wolffs Intentionen – rabiat antiklerikalen Werk, in dem nun kurioserweise das Rabenaas-Lied folgendermaßen zitiert wird – und zwar als »einem noch nicht sehr alten Breslauer Gesangbuch entnommen«:
» Ich bin ein altes Raben-Aas,
Ein rechter Sünden-Knüppel,
Der seine Sünden in sich fraß,
Als wie den Rost der Zwibbel .«
Ja, fasst man es denn?! Hier ist es endlich, wie es sein muss: Zwibbel frisst Rost, nicht andersherum. (Und der Krüppel ist kein Krüppel, sondern ein Knüppel, aber das nur nebenbei.) Hat sich also nicht nur Mann, sondern auch Engels verhört? Und ist Corvin auf Wolff hereingefallen, weil er dessen Satire als tatsächliches Gesangbuch nahm? Und wieso kam bis zu Vormbaum nie jemand auf den Gedanken, den offenkundigen Unsinn des Mann’schen Textes zu klären?
Wobei die letzte Frage in diesem Buch hier beantwortet wird: Wir lieben das falsch Gehörte zu sehr, um eindringlich nach der Wahrheit zu fragen.
Vater Krause, er reitet geschwind: Klassiker, neu gehört
»In meiner Jugend«, schreibt Frau D. aus Berlin, »habe ich viel Klassik im Radio gehört, unter anderem die 9. Symphonie, ›vermutlich von
Beethoven‹. Ich war völlig verblüfft, dass es da Zweifel gibt.«
Nun hat ja Ludwig van Beethoven, der leider schon sehr viel früher und stärker als die meisten von uns unter erheblichem Gehörverlust litt, dem vierten und letzten Satz seiner 9. Symphonie Schillers Ode an die Freude zu Grunde gelegt, Teile davon jedenfalls. Gleich zu Beginn heißt es:
» Freude, schöner Götterfunken
Tochter aus Elysium.
Wir betreten feuertrunken
Himmlische, dein Heiligtum.«
Frau J. schreibt dazu aus Österreich, ihr zehnjähriger Sohn singe:
» Wir betreten voll betrunken
Himmlische, dein Heiligtum.«
Das erinnert an studentische Verbindungsbrüder, die früher im Rausch gern Schiller auf ihre Verhältnisse umdichteten, in diesem Fall zum Beispiel so:
» Freude, schöner Götterfunken
Tochter im Delirium
Wir betreten voll betrunken
Himmlische, dein Kneipentum.«
Na ja. Dieses Umschreiben von Texten hat mit unserem geliebtenVerhören nicht viel zu tun, muss aber mal erwähnt werden, weil einem
im Lauf der Jahre viele Falschhörer unterkommen, die unglaubhaft klingen – und in Wahrheit scherzhafte Umarbeitungen sind, Verballhornungen: Den
»Rheuma-Kai« würde ich dazu rechnen, der sich als der Fußballer Roy Makaay entpuppt, auch »Timo Beil«, der in Wahrheit T-Mobile heißt und eine
Firma ist.
Witziger ist, wie die Engländer Gilbert & Sullivan im 19. Jahrhundert eine ganze Oper auf einem Verhörer aufbauten, Herr W. aus Ammersbek informierte mich darüber, weil sein Sohn in Berlin diese Oper inszenierte. Die Piraten von Penzance beginnt damit, dass der im Sterben liegende Vater eines Jungen namens Frederic dessen Kindermädchen Ruth beauftragt, dem Knaben eine »private Lehre« zu ermöglichen. Sie versteht aber »Piratenlehre« – und steckt den Buben in eine solche, womit das Schicksal seinen Lauf nimmt…
So kann schlechtes Hören ein Schicksal beeinflussen. Einen vergleichbaren Fall kenne ich nicht, nur einen, in dem ein Verhörer Ursache für eine schwere Körperverletzung ist. In Lion Feuchtwangers berühmtem Roman Erfolg wandern zwei Handwerksburschen auf der Landstraße von Schliersee nach Miesbach, singend: »Zwei rote Rosen, ein zarter Kuss.« Ein Gruppe von Nazis, den Wahrhaft Deutschen zugehörig, begegnet ihnen und fällt sogleich über die beiden her, denn sie hatten verstanden: »Zwei rote Hosen und Spartakus.«
Aber das nur nebenbei. Einer, der recht ernsthaft in diesem Genre tätig ist und als Dichter mit Klangähnlichkeiten arbeitet, ist Gerhard Rühm, der in Die Winterreise dahinterweise Franz Schuberts Liederzyklus nachdichtete. Bei Schubert (beziehungsweise
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