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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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deuten.
    Die Kähne fuhren jetzt in nordöstlicher Richtung weg, über verwinkelte Wasserwege, die nur die Marschenleute kannten. Wir
     blieben in Palfleot zurück und verhielten uns so, dass die Dänen jenseits des großen Flussbogens auf uns aufmerksam werden
     mussten. Während Iseult mit ihren scharfen Augen die Stelle im Blick behielt, wo die Schiffsmasten der dänischen Flotte wie
     Kratzer an |291| den Wolken im Westen anmuteten, machten wir uns an den verkohlten Trümmern zu schaffen. «Auf einen der Masten ist ein Mann
     gestiegen», sagte sie nach einer Weile, und ich starrte angestrengt in die Richtung, machte den Mann aus, der sich oben an
     den Mast klammerte, und wusste, dass man uns entdeckt hatte. Die Ebbe gab immer mehr Schlick und Sand frei, und nun, da ich
     sicher war, dass sie uns gesehen hatten, machten wir uns auf den Weg über die trocken gefallene Marsch in der weiten Flussschleife.
    Während wir näher kamen, sah ich, dass weitere Männer in die Masten kletterten, um uns zu beobachten. Sie waren nicht beunruhigt,
     denn für sie waren wir nur ein kleines Häuflein auf der anderen Seite des Flusses. Dennoch würde der Anführer seinen Leuten
     den Befehl geben, sich zu bewaffnen, um auf alle Fälle vorbereitet zu sein. Ich hatte vor, ihn in eine Falle locken und hoffte,
     er würde tun, was ich wollte. Zunächst aber würde er, wenn er klug war, gar nichts unternehmen. Er wusste, dass wir keine
     Bedrohung für ihn waren, zumal der Pedredan zwischen uns lag. Also konnte er in aller Ruhe mit ansehen, wie wir uns, durch
     tiefen Schlick stapfend, dem Ufer näherten. Grau und kalt strömte vor uns das Wasser des Pedredan.
    Inzwischen beobachteten uns an die hundert Dänen. Sie standen auf ihren an Land gezogenen Schiffen und bedachten uns lauthals
     mit Schmähungen. Viele lachten uns aus, denn in ihren Augen waren wir einfältiges Pack, das für nichts und wieder nichts einen
     langen Fußmarsch auf sich genommen hatte. Doch sie ahnten nichts von Eofers Fähigkeiten. Ich rief seine Nichte zu mir. «Ich
     will», sagte ich, «dass dein Onkel einige dieser Männer da drüben tötet.»
    Das Mädchen riss die Augen auf. «Dass er sie tötet?»
    |292| «Das sind böse Männer», sagte ich, «und sie wollen dich umbringen.»
    Sie nickte nachdenklich, nahm dann den großen Kerl an der Hand und führte ihn an den Rand des Wassers, wo er bis zu den Waden
     im Schlick versank. Der Fluss war sehr breit, und ich zweifelte schon daran, dass es Eofer gelingen würde, seine Pfeile bis
     auf die andere Seite schnellen zu lassen. Eofer selbst schien jedoch keinerlei Bedenken zu haben. Er spannte den mächtigen
     Bogen, watete in den Pedredan bis zu einer seichten Stelle, auf der er sicheren Tritt fand, zog dann einen Pfeil aus seinem
     Köcher, legte ihn an und zog die Sehne zurück. Mit einem Grunzen ließ er die Sehne fahren, und ich beobachtete, wie der Pfeil
     von der Sehne zuckte und von der Befiederung geführt im hohen Bogen über den Fluss stieg und inmitten einer Gruppe von Dänen
     niederfuhr, die auf dem Steuerdeck eines Schiffes standen. Mit wütendem Gebrüll stoben die Männer auseinander. Niemand war
     getroffen. Eofers zweiter Pfeil jedoch bohrte sich einem Mann in die Schulter. Die Dänen wichen von ihrem Aussichtpunkt im
     Heck zurück. Eofer, der immerzu mit seinem zotteligen Kopf nickte und leise Tiergeräusche von sich gab, zielte nun auf ein
     anderes Schiff. Er hatte wahrhaft außergewöhnliche Kraft. Der Abstand war zu groß, um treffgenau schießen zu können, doch
     die Gefahr der langen, weißgefiederten Pfeile trieb die Dänen weiter zurück, und nun waren wir es, die höhnisch lachten. Einer
     der Dänen nahm einen Bogen und wollte zurückschießen, doch sein Pfeil verschwand mehr als zwanzig Schritt vor uns im Fluss.
     Wir verspotteten sie erneut, lachten sie aus und sprangen auf und ab, während Eofers Pfeile ein ums andere Mal in die Planken
     ihrer Schiffe einschlugen. Zwar war nur dieser eine Mann verwundet worden, doch hatten wir sie alle zurückgetrieben, |293| und das war für sie eine Schande. Nachdem Eofer zwanzig Pfeile verschossen hatte, watete ich durch das Wasser zu ihm, nahm
     ihm den Bogen aus der Hand und stellte mich so vor ihn hin, dass die Dänen nicht sehen konnten, was ich tat.
    «Sag ihm, er soll sich keine Sorgen machen», erklärte ich dem Mädchen, und sie beruhigte Eofer, der mir den Bogen wieder abnehmen
     wollte.
    Ich zog ein Messer, was ihn noch

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