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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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eingeholt zu werden. Es fing zu regnen an, und der Wind aus Westen frischte auf. Ich schaute immer wieder in Richtung Meer
     zurück, bis ich endlich einen hellen Silberstreifen am Ende des Sumpfes gewahrte und wusste, dass |296| die Flut eingesetzt hatte, die sich rasend schnell mit ihren Wassern in die öde Fläche ergießen würde.
    Wir wichen immer weiter zurück, und die Dänen setzten uns immer weiter nach, doch sie waren schon langsamer geworden. Manche
     verlangten mit lautem Gebrüll, dass wir uns dem Kampf stellen sollten, andere hatten keinen Atem mehr zum Schreien, doch sie
     alle waren wild versessen darauf, uns zu töten. Wir hielten auf ein grünes Band aus Kreuzdorn und Schilf zu, und dort, auf
     einem anschwellenden Wasserlauf, lagen unsere Kähne.
    Erschöpft sprangen wir an Bord und ließen uns von den Bootsmännern in Richtung Bru staken, jenem Fluss, der den nördlichen
     Teil der Marsch abgrenzte. Wir fuhren nach Süden, kamen auf den flachen Booten trotz Gegenströmung schnell voran und zogen
     an den Dänen vorbei, die uns nur aus einigen hundert Schritt Entfernung hinterherschauen und nichts tun konnten, um uns aufzuhalten.
     Und je weiter wir sie hinter uns ließen, desto verlorener wirkten sie auf der weiten, öden Fläche, wo die Flut in die Wasserläufe
     gurgelte. Jetzt, zur Zeit des Vollmondes, war die Flut noch höher, und sie stand schon tief im Schwemmland, und plötzlich
     erkannten die Dänen die Gefahr und wandten sich zurück nach Palfleot.
    Doch bis dahin war es eine weite Strecke, und wir waren ihnen weit voraus und hatten bald auf dem kleinen Wasserlauf, der
     in den Pedredan mündete, die verkohlten Stümpfe der Pfähle erreicht, an denen die Dänen ihre beiden Schiffe festgemacht hatten.
     Sie wurden von nur vier Männern bewacht. Wir trieben sie mit gezogenen Schwertern und wildem Gebrüll in die Flucht. Die anderen
     Dänen waren immer noch draußen auf dem Marschland, nur dass dort jetzt das Wasser der Flut heranrollte und die Dänen schon
     waten mussten.
    |297| Ich hatte zwei Schiffe. Wir hievten die Kähne an Bord und besetzten die Ruder. Ich steuerte das eine, Leofric das andere Schiff,
     und so ruderten wir gegen die anschwellende Flut auf Cynuit zu, wo die dänische Flotte lag, nur von einer Handvoll Männer
     bewacht. Die Frauen und Kinder aus dem Lager würden uns kommen sehen, konnten aber nicht ahnen, dass ihre beiden Schiffe vom
     Feind gelenkt wurden. Vielleicht wunderten sie sich darüber, dass nur so wenige Ruder im Einsatz waren. Aber wie hätten sie
     sich auch vorstellen können, dass nur vierzig Angelsachsen fast achtzig Dänen überwältigt hatten. Und so stellte sich uns
     niemand in den Weg, als wir mit den Schiffen anlandeten. «Was wollt ihr?», rief ich den wenigen Schiffswachen zu. «Kämpfen
     oder leben?»
    Ich trug mein Kettenhemd und den neuen Helm. Ich war ein Kriegsherr. Mit dem Schwert auf meinen Schild schlagend, ging ich
     auf sie zu. «Kämpft, wenn ihr wollt!», brüllte ich. «Kommt und kämpft!»
    Doch das taten sie nicht. Sie hatten nicht genug Leute, und deshalb zogen sie sich Richtung Süden zurück und mussten mit ansehen,
     wie wir ihre Flotte in Flammen aufgehen ließen. Bis zum frühen Abend waren wir damit beschäftigt, alle Schiffe bis auf den
     Kiel abzubrennen. Und das riesige Feuer zeigte dem ganzen westlichen Wessex, dass Svein unterlegen war. Svein war an diesem
     Tag nicht in Cynuit, sondern irgendwo im Süden. Als die Schiffe brannten, schaute ich immer wieder auf die bewaldeten Hügel,
     weil ich fürchtete, er würde mit seinen Hundertschaften zurückkehren. Doch er kam nicht, und die Dänen, die hier waren, konnten
     uns nicht aufhalten. Wir zerstörten dreiundzwanzig Schiffe, darunter auch das
Weiße Pferd
. Eines der beiden gekaperten Schiffe ließen wir unbeschadet, beluden es mit reicher Beute, Vorräten, Seilen, |298| Lederzeug, Waffen und Schilden und fuhren damit weg, als die Abenddämmerung einsetzte.
    Zwei Dutzend Dänen hatten sich auf die flache Insel von Palfleot retten können. Alle anderen waren ertrunken. Die Überlebenden
     sahen uns vorüberfahren. Sie hüteten sich, uns zu provozieren, und auch ich beschämte sie nicht weiter. Während wir auf Æthelingæg
     zuruderten, hatte sich hinter uns eine geschlossene Wasserdecke über die weite Marsch gelegt, und weiße Möwen kreischten über
     den vielen ertrunkenen Dänen, und dann sah ich vor dem dunkelnden Abendhimmel zwei Schwäne nordwärts

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