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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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stärker beunruhigte. Er knurrte mich an und riss mir den Bogen aus der Hand. «Sag ihm, dass
     alles in Ordnung ist», forderte ich das Mädchen auf, und es gelang ihm tatsächlich, ihren Onkel friedlich zu stimmen. Der
     ließ es nun geschehen, dass ich die aus Hanf gedrehte Sehne des Bogens mit meinem Messer anritzte. Dann trat ich zurück, zeigte
     auf die Dänen. «Bring sie um!», sagte ich.
    Eofer wollte den Bogen nicht spannen. Stattdessen fummelte er unter seiner schmierigen Wollkappe eine zweite Sehne hervor.
     Ich schüttelte den Kopf und ließ dem Einfältigen von der Nichte erklären, dass er die beschädigte Sehne benutzen müsse. Wie
     zu erwarten war, riss sie, als er versuchte, den Bogen zu spannen. Der Pfeil überschlug sich und trieb auf dem Wasser davon.
    Inzwischen hatte die Flut eingesetzt, und das Wasser stieg. «Wir verschwinden!», rief ich meinen Männern zu.
    Jetzt johlten wieder die Dänen. Sie glaubten, dass wir uns wegen der gerissenen Bogensehne zurückzogen, und brüllten uns Beleidigungen
     hinterher, als wir uns die schlammige Uferböschung hochkämpften. Jenseits des Flusses sah ich zwei Männer am Ufer entlanglaufen,
     und ich hoffte, dass sie den Befehl weitergaben, den ich mir wünschte.
    |294| Und das taten sie. Der Gefahr durch Eofers schrecklichen Bogen nicht länger ausgesetzt, machten sie sich daran, zwei ihrer
     kleineren Schiffe zu Wasser zu lassen. Wir hatten sie verspottet und ausgelacht. Dafür sollten wir nun sterben.
    Alle Krieger haben ihren Stolz. Wut und Ehrgeiz sind ihr Ansporn, sich Ruhm zu erwerben, und die Dänen wollten uns nicht in
     dem Glauben lassen, dass wir sie ungestraft verhöhnen konnten. Doch es ging ihnen nicht allein darum, uns diese Erkenntnis
     beizubringen. Ehe wir von Æthelingæg aufgebrochen waren, hatte ich darauf bestanden, dass jedem meiner Männer ein Kettenhemd
     gegeben wurde. Egwine, der mit dem König zurückblieb, hatte seine kostbare Rüstung nicht hergeben wollen, musste sich aber
     dem Willen Alfreds beugen, der dafür sorgte, dass sechzehn meiner Männer Kettenhemden trugen. Sie sahen prächtig aus, wie
     besonders verdiente Krieger. Und die Dänen würden viel Anerkennung gewinnen, wenn es ihnen gelang, einen solchen Trupp zu
     bezwingen und seiner kostbaren Rüstungen zu berauben. Leder bietet auch einen Schutz, doch Kettenhemden, die über Leder getragen
     werden, sind noch viel besser, aber auch viel kostspieliger, und mit der Aussicht, am Ufer des Flusses sechzehn Kettenhemden
     erbeuten zu können, hatte ich den Dänen einen Köder vorgelegt, dem sie nicht widerstehen konnten.
    Also schnappten sie danach.
    Ohne uns zu beeilen, stapften wir durch den tiefen Morast in Richtung Palfleot. Die Dänen hatten sichtlich Mühe, mit ihren
     beiden Schiffen durch den Schlick zu kommen. Doch endlich waren sie im Wasser, und dann, mit der schnell steigenden Flut,
     taten die Dänen genau das, was ich gehofft hatte.
    |295| Sie überquerten nicht etwa den Fluss, um vom Ostufer aus unsere Verfolgung aufzunehmen, wenn wir schon Vorsprung hätten, sondern
     entschieden sich für die vermeintlich schlauere Lösung und versuchten, uns den Weg abzuschneiden. Sie hatten gesehen, dass
     wir bei Palfleot an Land gegangen waren, wo sie nun unsere zurückgelassenen Kähne vermuteten. Darum ruderten sie so schnell
     wie möglich flussaufwärts, um vor uns bei den Kähnen zu sein und sie zu zerstören.
    Unsere Kähne aber befanden sich nicht mehr in Palfleot. Die Bootsleute waren auf ihnen nach Nordosten gefahren und hielten
     sie hinter einem von Schilfrohr überwucherten Deich versteckt. Als die Dänen schließlich bei Palfleot an Land gingen, kauerten
     wir uns auf einer Sandbank zusammen und bestärkten sie in dem Glauben, dass wir in der Falle saßen. Sie befanden sich jetzt
     auf derselben Uferseite wie wir und hatten allen Grund zur Zuversicht, denn ihre beiden Schiffsmannschaften waren uns weit
     überlegen. Also rückten sie von den verbrannten Pfahlstümpfen von Palfleot aus vor, um uns im Schwemmland zu töten.
    Genau das hatte ich gewollt.
    Und jetzt zogen wir uns zurück und ließen den Abstand zu unseren Verfolgern mal kleiner, mal größer werden. Ich zählte sechsundsiebzig
     Kämpfer. Wir waren nur dreißig, denn ein Teil meiner Männer wartete auf den versteckten Kähnen. Unseren sicheren Tod vor Augen,
     rannten uns die Dänen durch Schlick und kleine Wasserläufe nach, und wir mussten schneller und schneller laufen, um nicht
    

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