Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
gerade dann unterwegs nach San Felipe sein werde, um die restlichen Siedler abzuholen. In den nächsten Tagen reitet Diego Jemelin dorthin und wird mir Botschaft bringen, wann genau die Leute erwartet werden. Hernando de Gamuzana hat versprochen, dass auch wir noch einige Waren bekommen, die die Regierung von Mexiko europäischen Siedlern zur Verfügung stellt, und die kann ich gleichzeitig mit dem Treck hierherbringen. Irgendwann will ich mir auch die nordamerikanische Siedlung weiter im Norden ansehen. Vielleicht gibt es dort ja einen Laden, in dem wir einkaufen können. Bis San Felipe de Guzmán ist es arg weit.«
»Die mexikanische Regierung will doch keine Nordamerikaner mehr in Mexiko ansiedeln«, wandte Gisela ein.
»Trotzdem sind die Leute da, und sie werden sich auch nicht so leicht vertreiben lassen. Mexiko ist ein großes Land und die Hauptstadt sehr, sehr weit entfernt. Selbst bis zu der Hauptstadt unserer Provinz ist es eine halbe Weltreise. Ich werde nur dann nach Saltillo reiten, wenn es unbedingt nötig ist.«
Walther sah keinen Grund dafür, wochenlang von seiner Frau und seiner Farm fort zu sein. Das, was er brauchte, konnte ihm Hernando de Gamuzana besorgen, und den Rest würde er von den Amerikanern kaufen, wenn es irgendwie möglich war.
Gisela wusste nicht so recht, was sie von den Nordamerikanern halten sollte. Zum einen sprachen diese Englisch, also eine Sprache, die sie nicht verstand, und zum anderen hatten Hernando de Gamuzanas Ehefrau Elvira, aber auch Rosita Jemelin die Angehörigen dieses Volkes als ungehobelte und unverschämte Hinterwäldler bezeichnet.
Daran erinnerte sie Walther, doch er winkte nur ab. »Ich mache mir lieber selbst ein Bild von den Menschen, meine Liebe. Ganz so schlimm können sie nicht sein, sonst würden nicht so viele unserer Landsleute in die Vereinigten Staaten auswandern.«
»Da hast du auch wieder recht«, antwortete Gisela nachdenklich. »Aber wenn wir mit ihnen reden wollen, möchte ich ein wenig Englisch können. Wirst du es mich lehren?«
»Aber gerne! Bis das Kind auf der Welt ist und auch einige Wochen danach können wir im Bett ja nichts anderes tun, als miteinander zu reden!«
Walther zwinkerte ihr zu und sagte sich, dass seine Frau bald besser Englisch sprechen würde als er. Ihr Talent, fremde Sprachen zu erlernen, war weitaus größer als das seine. Während sein Spanisch noch holprig klang, vermochte sie sich mittlerweile ohne Probleme mit Rosita Jemelin und den anderen mexikanischen Frauen ihrer Siedlung zu verständigen.
Der Gedanke an Rosita Jemelin erinnerte ihn daran, dass er am Vortag die Hacienda ihres Mannes besucht hatte und die ganze Nacht durchgeritten war. Nun fühlte er seine Müdigkeit doppelt und wies auf das Bett.
»Ich muss mich ein wenig hinlegen. Weck mich aber in zwei oder drei Stunden!«
»Das werde ich tun«, versprach Gisela, beschloss jedoch insgeheim, ihren Mann ausschlafen zu lassen. Er benötigte seine ganze Kraft, um ihnen ein Heim zu schaffen. Dazu gehörte auch ein richtiges Essen, und das würde er ebenfalls bekommen. Vorher aber wollte sie die Samen aussäen, die ihr Rosita Jemelin geschenkt hatte, und trat zur Tür, um Pepe aufzufordern, zwei weitere Beete in ihrem Garten umzugraben.
7.
D ie nächsten Tage vergingen, ohne dass etwas Aufregendes geschah. Walther arbeitete zusammen mit Pepe an einem größeren Pferch für die Pferde und plante einen Schuppen, in dem er einen Wagen abstellen konnte. Zwar besaß er noch keinen, aber er hoffte, dass es in der amerikanischen Siedlung einen Wagner gab, der ihm einen fertigen konnte. Falls nicht, würde er sich in San Felipe danach umsehen, wenn er die neuen Siedler abholte, und auch nach einem Pferd, das sowohl den Wagen ziehen als auch vor dem Pflug gehen konnte.
Gisela ging es etwas besser, und sie hoffte, den Rest ihrer Schwangerschaft ohne weitere Probleme durchstehen zu können. Die Hausarbeit machte ihr jedoch zusehends Schwierigkeiten, und so wies Walther Pepe an, Wasser und Feuerholz ins Haus zu bringen, damit seine Frau sich leichter tat.
Mittlerweile muss Diego Jemelin in San Felipe sein, dachte Walther an einem Sonntag und fragte sich, welche Nachrichten dieser mitbringen würde. Um Giselas willen hoffte er, dass sich die Ankunft der Neusiedler verzögern würde und er die Leute später abholen konnte. Dann würde er bei der Geburt seines ersten Sohnes zugegen sein können. Zwar wusste er, dass Rosita Jemelin und Gertrude Schüdle sich um Gisela
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