Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
hat?«
»Sie haben ein gutes Gedächtnis, General«, antwortete Walther.
Santa Anas Gesicht nahm einen hochmütigen Ausdruck an. »Nennen Sie mich El Presidente. Ich habe etliche Generäle unter meinem Kommando, doch mich gibt es nur einmal! Außerdem wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir Kleidung bringen lassen würden, die meinem Rang entspricht.«
»Wir bringen Sie erst einmal in unser Lager, und dort wird General Houston entscheiden, was mit Ihnen geschieht. Und nun vorwärts!«
»Vielleicht erschießen wir ihn auch gleich, so, wie er es mit unseren Freunden in Alamo und in Goliad getan hat!«
Rudledge sah ganz so aus, als wäre ihm dies das Liebste, doch Walther wusste, dass Sam Houston den mexikanischen Präsidenten lebendig haben wollte. Als Toter konnte Santa Ana keinen Friedensvertrag mit der Republik Texas unterzeichnen.
8.
E inige Tage lang streifte Nizhoni ziellos durch die Prärie. Zwar hatte Fahles Haar Gisela und ihr den Rat gegeben, nach Louisiana zu gehen, aber sie fragte sich, wie man eine Indianerin, die mit zwei weißen Kindern unterwegs war, empfangen würde. Was war, wenn man ihr die beiden dort wegnahm? Nein, dieses Risiko würde sie nicht eingehen. Schließlich hatte sie der sterbenden Gisela ihr Wort gegeben, sich um Josef und seinen kleinen Bruder zu kümmern.
Allein mit den Kindern in der Prärie zu bleiben schien ihr jedoch zu gefährlich. Da die Texaner mit den Mexikanern Krieg führten, streiften gewiss etliche Stämme durch das Land, und für die waren eine junge Frau und zwei Kinder eine willkommene Beute.
Nizhonis Blick wanderte nach Westen. Zwar wusste sie nicht, wie weit es bis zur Farm war. Doch in jener Gegend kannte sie sich aus und konnte sich vom Haus aus mit ihren beiden Flinten und den Pistolen gegen eine ganze Schar feindlicher Indianer oder Mexikaner verteidigen.
»Wohin gehen wir?«, fragte Josef, als Nizhoni am nächsten Morgen das Lager abbrach, alles, was sie mitnehmen wollte, auf ihren Travois lud und den Jungen auf die Stute setzte.
»Nach Hause!«, antwortete sie, auch wenn ihr bewusst war, dass die Farm nach Giselas Tod nie mehr so sein würde wie zuvor.
Mehrere Tage lang zogen sie gen Westen. Es ging nur langsam, denn Nizhoni musste immer wieder Pausen einlegen, um Nahrung zu suchen. Sie war in der Prärie aufgewachsen und wusste, wo sie Kräuter finden oder kleine Nager ausgraben konnte. Schlangen und Eidechsen vervollständigten ihren und Josefs Speiseplan, während der Kleine mit der Milch der Ziege vorliebnehmen musste. Zu Nizhonis Leidwesen gedieh er nicht so, wie sie es gerne gesehen hätte. Zwar konnte sie am Morgen und am Abend die Ziegenmilch erwärmen, doch unter Tag musste er sie so trinken, wie sie vom Euter kam.
Auch das war ein Grund, der sie hoffen ließ, die Farm bald zu erreichen und unzerstört vorzufinden. Nizhoni suchte wieder einmal den Horizont ab, um Landmarken aufzufinden, die ihr bekannt waren, als sie sah, dass eine Gruppe Indianer ihr entgegenkam. Zu ihrem Leidwesen gab es kein Gebüsch, hinter dem sie die Kinder, das Pferd und sich selbst verbergen konnte.
Die Indianer entdeckten sie kurz darauf ebenfalls und ritten auf sie zu. Rasch machte Nizhoni alle Flinten und Pistolen schussfertig, befahl Josef, sich flach auf den Boden zu legen, und nahm hinter der Stute Deckung. Über deren Rücken hinweg musterte sie die Reiter. Es handelte sich um drei Männer, zwei Frauen und zwei Kinder etwa in Josefs Alter. Eine Frau trug noch einen auf den Rücken gebundenen Säugling bei sich.
Daher zögerte Nizhoni, sofort zu schießen, und ließ die anderen herankommen. Sie mussten zu einem der kleinen Stämme gehören, die von den weißen Männern zu den Karankawa gezählt wurden. Dies bedeutete für Nizhoni, dass die Gefahr für sie nicht so groß war, aber eine Komantschengruppe wäre ihr lieber gewesen. Allerdings würden diese so weit östlich nicht mit Frauen und Kindern über die Prärie ziehen.
Als die Leute ihr nahe genug gekommen waren, schlug Nizhoni das Gewehr an und rief: »Halt!«
Die Gruppe zügelte die Pferde und starrte zu ihr herüber. Die Männer schienen unschlüssig, ob sie zu den Waffen greifen oder verhandeln sollten. Schließlich hob einer von ihnen die Hand zum Zeichen, dass er in friedlicher Absicht käme.
»Wer du sein?«
Da Nizhoni die Kleidung einer weißen Frau trug, sprach er sie auf Englisch an und zeigte ihr damit, dass sein Stamm mehr mit Nordamerikanern als mit Mexikanern in Kontakt gekommen
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