Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Säbel. »Gentlemen, ich habe eben erfahren, dass Santa Anas Soldaten ihr Mittagsschläfchen halten. Ich finde, wir sollten hingehen und sie aufwecken.«
»Ich halte das für eine Falle«, wandte einer der Offiziere ein. »Wir sollten hier besser ein paar Verhaue errichten, hinter denen wir den Ansturm der Mexikaner erwarten können.«
»Die ganze Zeit drängt ihr mich, endlich anzugreifen, und jetzt wollt ihr eine Verteidigungsposition einnehmen? Fitchner, was sagen Sie dazu?« Houston wandte sich zu Walther um, und sein Blick verriet, dass er keine Einwände hören wollte.
»Wenn wir die Mexikaner so zum Angriff antreten lassen, wie sie es gewohnt sind, haben wir die doppelte Anzahl an Musketen gegen uns. Da werden uns Verhaue wenig helfen. Gelingt es uns jedoch, sie zu überraschen und zu verhindern, dass sie sich sammeln, sind wir an jeder Stelle, an der wir kämpfen, in der Überzahl!«
Das hatte Houston hören wollen. Er hob die Hand. »Wir marschieren los, und zwar ohne laute Befehle. Die Männer dürfen keinen Lärm machen, der die Mexikaner warnen könnte.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Santa Ana keine Wachen hat aufstellen lassen«, sagte der Zweifler von vorhin kopfschüttelnd.
»Wenn wir ihn gefangen haben, können Sie ihn ja fragen, warum er es versäumt hat«, antwortete Houston bissig.
Bevor er aufbrach, kehrte er in sein Zelt zurück und warf sich einen grellroten Umhang über. So stieg er auf sein Pferd.
»Damit ihr mich seht und wisst, wo es langgeht«, erklärte er grinsend. »Also dann los, Männer! Denkt an Alamo und an Goliad! Heute ist der Tag, an dem wir unsere toten Helden rächen.«
»Das tun wir, General!«, antwortete einer der Männer.
Walther erinnerte sich noch genau, wie Houston auf Travis und Fannin geschimpft hatte, weil diese in ihren Forts geblieben waren, anstatt mit ihren Leuten zu ihm zu stoßen. Nun nannte er sie Helden und rief seine Männer auf, sich ihrer würdig zu erweisen.
Aber es half offensichtlich, den Kampfgeist der Texaner zu befeuern. Kompanie für Kompanie rückte gegen das mexikanische Lager vor. Nun machte es sich bezahlt, dass die Männer keine Berufssoldaten waren, sondern Farmer und Handwerker. Diese waren es gewohnt, sich leise im Gelände zu bewegen, und machten kaum Lärm. Bald waren sie dem mexikanischen Lager schon sehr nahe gekommen, ohne dass ein einziger Alarmruf erschallt wäre.
»Wir kriegen sie«, flüsterte Thierry und hob seine Büchse.
»Achtung! Feuert, sobald die Kerle aus ihren Zelten kommen! Gebt ihnen keine Chance, sich zu sammeln und eine Verteidigungslinie zu bilden.« Houstons Stimme klang fast zu laut.
Prompt schaute ein Mexikaner aus einem Zelt heraus, starrte auf die anstürmenden Texaner und stieß einen gellenden Schrei aus. »Die Americanos kommen. Alarm! Wir …«
Eine Kugel riss ihm den Rest von den Lippen. Die Texaner feuerten nun, was das Zeug hielt. Die meisten Mexikaner kamen nicht einmal mehr dazu, nach ihren Waffen zu greifen, sondern wurden sofort niedergemacht.
Walther schoss auf einen Offizier, der den Abzeichen nach zu dem Trupp gehörte, der seine Farm überfallen hatte. Neben ihm luden einige Texaner ihre abgeschossenen Büchsen und Musketen, doch Walther warf sich die Büchse über die Schulter, zog seine Pistole und das Bowiemesser und drang in Richtung des großen Zeltes vor, das in diesem Heer nur einem gehören konnte – Santa Ana.
Plötzlich tauchte Capitán Velasquez vor ihm auf und zielte mit einer Pistole auf ihn. Bevor der Mexikaner auf ihn schießen konnte, entdeckte er Houston nur wenige Schritte von Walther entfernt und hielt ihn wegen des wehenden roten Umhangs für ein besseres Ziel. Während er abdrückte, erreichte ihn Walthers Kugel. Dennoch traf er Houston und riss diesen aus dem Sattel. Als Walther auf den General zueilte, stemmte dieser sich hoch.
»Mir fehlt nichts, nur eine Schramme. Vorwärts!«, brüllte er und sagte dann etwas leiser zu Walther: »Danke!«
Er wurde wieder laut. »Los, Männer! Wir müssen Santa Ana kriegen! Wer ihn fängt, bekommt eine Quadratmeile Land zusätzlich als Prämie.«
Walther drang mit dem Vorsatz in Santa Anas Zelt ein, diesem Krieg durch die Gefangennahme des mexikanischen Präsidenten ein Ende zu machen. Doch der vordere Teil des Zeltes war leer. Als Walther mit Thierry und Diego Jemelin weiter vordrang, stießen sie auf mehrere Mädchen, die teilweise noch nackt waren und vor Angst kreischten. Die fein säuberlich zusammengelegte
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