Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Kindern allein gewesen sei.
»Das ist seltsam«, meinte er zu seinem Begleiter. »Nizhoni würde Gisela niemals im Stich lassen und diese nicht ohne die Kinder bleiben!« Angst stieg in ihm auf.
Rudledge sah die Sache gelassener. »Wir sollten die Nacht bei diesen Leuten verbringen. Vielleicht erzählen sie uns noch mehr.«
Da es spät genug war, um das Lager aufzuschlagen, nickte Walther. Beide stiegen von den Pferden, reichten der jüngeren Indianerin, die ein Säugling auf dem Rücken trug, einen Teil ihres Mundvorrats, damit diese für sie kochte. Anschließend banden sie ihren Pferden die Vorderbeine zusammen, so dass diese zwar grasen, aber nicht davonlaufen konnten, und setzten sich zu der kleinen Schar. Walther lenkte dabei das Gespräch immer wieder auf Nizhoni und die Kinder, doch der Häuptling blieb dabei, dass die Navajo sich mit den Kindern vor zwei Tagen von ihnen getrennt hätte und westwärts gezogen sei.
14.
A m nächsten Morgen verabschiedeten Walther und Rudledge sich von den Kohani und schlugen den Weg nach Westen ein. Obwohl Walther sich vor dem fürchtete, was er dort erfahren würde, ging es ihm nicht schnell genug. Nach einer Weile schüttelte Rudledge in komischer Verzweiflung den Kopf.
»Wenn Sie weiter so vorwärtsdrängen, brechen uns die Gäule zusammen, bevor wir den Colorado River erreichen!«
Walther blieb nichts anderes übrig, als seinen Hengst zu zügeln. »Wann werden wir auf ihre Spur stoßen?«, fragte er.
»Wenn wir Glück haben, heute Nachmittag. Haben wir keines, werden wir sie verfehlen!« Da Rudledge nie geheiratet hatte, fehlte ihm das Verständnis für Walthers Sorgen. Außerdem war das Leben im Westen hart. Hier konnte schnell jemand sterben, sei es bei einem Indianerüberfall, durch einen Schlangenbiss oder die Kugel eines übellaunigen Nachbarn oder Reisenden. Wer sich hier in Texas durchsetzen wollte, musste mit solchen Schicksalsschlägen fertig werden.
Dies sagte er Walther auch und nannte ihm einige Beispiele aus seiner Bekanntschaft, in denen entweder die Frau oder der Mann umgekommen waren. Er ging dabei nicht gerade zartfühlend vor, und so bedauerte Walther es schließlich, ihn überhaupt mitgenommen zu haben.
Rudledge machte dies aber wieder wett, als er kurz vor Sonnenuntergang sein Pferd anhielt und auf Hufabdrücke wies, die auf einem sandigen Stück Erde zu sehen waren. Zu Walthers Verwunderung zogen sich zwei schmale Schleifspuren an beiden Seiten dahin. Außerdem waren die Abdrücke kleiner Hufe mit zwei Klauen zu sehen, mit denen Walther nichts anzufangen wusste.
»Die Frau ist nicht dumm«, erklärte Rudledge anerkennend. »Sie hat sich ein Travois gebastelt. Damit kann sie mehr mitnehmen, als wenn sie reiten und den Jungen vor sich aufs Pferd setzen würde. Er ist übrigens noch bei ihr. Das sehen Sie an der Spur dort.«
Walther folgte dem Fingerzeig des Scouts und atmete auf, als er die Fußabdrücke eines Kindes entdeckte. Sein Sohn lebte noch, doch was war mit seiner Frau?
»Wie alt, glauben Sie, ist diese Spur?«, fragte er mühsam beherrscht.
»Drei, maximal vier Tage alt. Schätze, dass sie auf diese Weise etwa zwanzig Meilen am Tag vorwärtskommt. Wir schaffen mehr als das Doppelte. Das heißt, wir werden sie am Abend des dritten Tages eingeholt haben.«
»Noch drei Tage?« Dies erschien Walther wie eine Ewigkeit. Nachdenklich blickte er über das Land und sagte sich, dass Nizhoni und Josef bis dorthin hundertzwanzig Meilen von dieser Stelle entfernt sein konnten. Bis zu seiner eigenen Farm konnte es nicht weiter sein. Ob sie Nizhonis Ziel war?
Fragen über Fragen schossen ihm durch den Kopf, doch er wusste, dass nur die Navajo diese beantworten konnte. Er hingegen musste jetzt entscheiden, ob sie der Spur folgen oder versuchen sollten, auf schnellstem Weg zur Farm zu gelangen. Der Gedanke, dass Nizhoni und Josef unterwegs etwas zugestoßen sein könnte, gab den Ausschlag.
»Glauben Sie, dass Sie der Fährte folgen können?«, fragte er Rudledge.
Der Scout wackelte unschlüssig mit dem Kopf. »Hier ist sie sehr deutlich, aber das kann sich ändern. Doch es müsste schon gelingen. Allerdings können wir dann nicht mehr so schnell reiten wie bisher, und ich muss auch ein paarmal absteigen, um nach der Spur zu sehen.«
»Machen wir es so!«, erklärte Walther und ritt weiter.
Zunächst war die Spur so deutlich, dass sie ihr mühelos folgen konnten. Doch schon bald wurde der Boden härter, und es brauchte Rudledges ganzen
Weitere Kostenlose Bücher