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Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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schüttelte angesichts der Weite des Landes den Kopf. Hier konnten sie weniger als eine Meile an den beiden Frauen vorbeireiten, ohne diese zu sehen oder von ihnen gesehen zu werden. Aufgeben wollte er dennoch nicht. Doch mit jeder Meile, die sie zurücklegten, schwand seine Hoffnung ein Stück mehr. Nach zwei weiteren Tagen ohne jede Spur von Gisela und Nizhoni erschien es Walther sinnlos, weiter nach Norden zu reiten.
    »So weit können die Frauen und das Kind nicht gekommen sein«, sagte er zu Rudledge. »Gertrudes Worten zufolge war Gisela zu schwerfällig, um dem Flüchtlingszug zu Fuß folgen zu können. Bis hierher hätten sie mindestens die dreifache Zeit gebraucht.«
    Nachdenklich kratzte der Scout sich am Kopf. »Wir sollten zurückreiten und die Stelle, an der sie sich von den anderen Flüchtlingen getrennt haben, in einer Spirale umkreisen. Vielleicht haben wir dann mehr Glück!«
    »Das ist wahrscheinlich das Beste.« Walther blickte kurz zum Himmel hoch und fand, dass es noch gut drei Stunden Tag bleiben würde. »Kehren wir um und reiten zu dem Bach, den wir kurz nach Mittag überquert haben. Das ist ein guter Lagerplatz.«
    Rudledge nickte und zog sein Pferd herum. »Ich ärgere mich, dass ich den Vorschlag, das Lager zu umkreisen, nicht schon eher gemacht habe. Ich wette mit Ihnen, dass die Frauen sich keinen halben Tag von der Stelle entfernt haben. So haben wir durch meine Schuld zwei Tage verloren.«
    Keiner der beiden sagte, dass zwei Tage für zwei Frauen und ein Kind in der Prärie schrecklich sein konnten. Sie hatten die erschöpften, abgemagerten Flüchtlinge gesehen, und für Gisela und Nizhoni dürfte es noch schwerer gewesen sein, an etwas Essbares zu gelangen.
    Plötzlich roch Walther Rauch. »Da ist jemand«, flüsterte er Rudledge zu und griff zu seiner Büchse.
    Der Scout machte seine Waffe ebenfalls schussfertig und spähte nach vorn. »Es sind Indianer. Karankawa, würde ich sagen. Sie haben uns bereits bemerkt. Da sie Weiber bei sich haben, werden sie wahrscheinlich friedlich bleiben. Trotzdem sollten wir auf der Hut sein.«
    Damit ritt Rudledge auf die lagernde Gruppe zu. Sie bestand aus drei Männern, zwei Frauen und zwei Jungen, die etwa in Josefs Alter sein mussten, und einem Säugling. Einige Schritte vor ihnen hielt der Scout sein Pferd an und hob die Rechte zum Zeichen seiner friedlichen Absichten.
    »Mein Freund und ich wollen an diesem Wasser lagern«, erklärte er dann.
    »Wasser des Baches gehören allen Menschen in Prärie«, antwortete der Anführer der Gruppe, der als Einziger eine Feuerwaffe neben sich liegen hatte. Obwohl der Kolben mit einer Schnur und ein paar Federn geschmückt war, erkannte Walther die Waffe und erschrak. Es handelte sich um die Flinte, die er von Diego Jemelin erhalten und zusammen mit der in San Felipe de Gamuzana erworbenen bei Gisela und Nizhoni zurückgelassen hatte.
    »Woher hast du dieses Gewehr?«, fragte Walther scharf und richtete seine Büchse auf den Indianer, bereit, diesen niederzuschießen, wenn die Antwort auf Raub und Mord hinauslief.
    »Gute Waffe!«, lobte der Häuptling. »Ist Geschenk!«
    »Wer hat sie dir gegeben?« Walther war fest davon überzeugt, dass der Mann log.
    »Eine Frau vom Volk der Diné, die bei weißen Leuten lebt. Sie gekommen mit Pferd und zwei Kindern, einem so«, der Indianer deutete die Größe Josefs an, »und mit kleinem Kind auf Rücken.«
    »Das muss Nizhoni gewesen sein!« Walther wusste, dass der Stamm der Navajo sich selbst Diné nannte. Doch wo war Gisela gewesen?
    »Nizhoni ihr Name. Großer Junge heißen Náshdóítsoh und kleiner Ma’iitsoh!«, berichtete der Häuptling.
    Zwar kannte Walther die Sprache der Navajo nicht, doch er wusste, dass Nizhoni Josef so genannt hatte und dies Puma bedeuten sollte.
    »Wo ist Nizhoni jetzt?«, fragte er weiter.
    Der Häuptling wies nach Westen. »Frau der Diné dorthin gegangen. Wollte nicht weiter mit uns ziehen.«
    »Kann man dem Indianer glauben?«, wollte Walther von Rudledge wissen.
    Dieser wiegte unschlüssig den Kopf. »Alle Indianer sind geborene Märchenerzähler. Aber welchen Grund sollte er haben, uns diese Geschichte zu erzählen? Er weiß nicht, dass wir auf der Suche nach den Frauen sind. Daher hätte er genauso gut behaupten können, er habe die Flinte von einem weißen Händler gekauft.«
    »Also könnte es die Wahrheit sein. Doch was ist mit Gisela?« Walther fragte den Häuptling nach seiner Frau, hörte aber nur, dass Nizhoni mit den

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