Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
und einige Siedler, deren Farmen nicht allzu weit entfernt lagen, beschlossen, sich noch am selben Tag auf die Heimreise zu machen.
Schließlich trennten Walther und die anderen sich in der Hoffnung, einer von ihnen würde Erfolg haben. Thierry geriet dabei immer mehr an den Rand des Lagers und spähte über die Menge hinweg. Mit einem Mal zuckte er zusammen. Das ist doch mein Schwiegervater, dachte er und ritt zu ihm.
Er hatte tatsächlich Gillings entdeckt. Allerdings sah der Mann nicht gerade zufrieden aus. »Ihr habt Santa Ana also geschlagen! Warum habt ihr das nicht weiter westlich getan? Dann hätte ich meine Farm nicht verlassen müssen. Jetzt ist sie abgebrannt und die Arbeit von Jahren vergebens«, beschwerte er sich.
Thierry achtete nicht auf das Gerede, sondern fragte nach Rachel.
»Irgendwo wird sie schon sein«, antwortete Gillings. »Ich habe schon genug Weiber am Hals und kann mich nicht um alle kümmern!«
»Rachel ist deine Tochter!«, fuhr Thierry ihn an, doch sein Schwiegervater blieb ungerührt.
»Das sind die acht anderen auch! Die sitzen noch an meinem Tisch. Rachel hingegen ist deine Frau, also ist es an dir, sie zu versorgen.«
Ohne es zu ahnen, verlor Moses Gillings damit jede Aussicht, sein Schwiegersohn könnte ihn beim Wiederaufbau der Farm unterstützen. Wütend trieb Thierry sein Pferd an und ritt so knapp an Gillings vorbei, dass dieser zurückspringen musste. Noch während sein Schwiegervater hinter ihm herschimpfte, entdeckte Thierry eine Frau, die sich durch die anderen auf ihn zuarbeitete. Rachel war schmutzig, barfuß, und die Säume ihres Kleides waren zerfetzt. Doch ihre Augen leuchteten voller Freude, als sie auf ihren Mann zueilte.
»Thierry! Oh Gott, wie glücklich bin ich, dich zu sehen!«
Thierry schwang sich aus dem Sattel und schloss sie in die Arme. »Endlich! Ich hatte solche Angst um dich. Wo sind die anderen?« Selbst im Augenblick des Glücks vergaß er seine Freunde nicht. Seine Frau zeigte nach hinten, senkte dann aber den Kopf und versuchte zu reden, brach aber in Tränen aus.
»Was ist los?«, fragte Thierry erschrocken.
»Ihr werdet alle böse auf uns sein. Wir wollten es nicht, aber irgendwie … ich …« Rachel verhaspelte sich und brachte kein Wort mehr hervor.
Thierry sah sie an und dann die anderen Frauen, die auf ihn zukamen. Es handelte sich um seine Schwester Marguerite, Gertrude, Arlette Laballe und die junge Cécile, während Anneliese Belcher auf ihrem Platz sitzen blieb. Auch wenn Gisela und deren Gefährtinnen mehrere Wochen in ihrem Haus gelebt hatten, so war die Trauer um den eigenen Sohn größer als ihre Anteilnahme an Giselas Schicksal.
Inzwischen hatte auch Walther die Gruppe entdeckt und kam auf sie zu. Die drei Personen, die er hier zu sehen erwartete, fehlten jedoch.
»Wo sind Gisela, Josef und Nizhoni?«, fragte er mit belegter Stimme.
Nun kam auch Albert Poulain heran und umarmte seine Tochter unter Tränen. Walther freute sich für ihn, schaute sich aber ständig um. Doch er fand weder seine Frau noch seinen Sohn noch die Indianerin.
»Wo sind Gisela, Josef und Nizhoni?«, wiederholte er angespannt.
Gertrude traute sich als Einzige, ihm Antwort zu geben. »Wir haben die drei unterwegs verloren.«
»Verloren?« Walther starrte sie ungläubig an.
»Der Wagen, mit dem wir gefahren sind, ging kaputt. Gisela war kurz vor der Geburt ihres Kindes und konnte nicht mehr weiter. Da ist sie mit Nizhoni und Josef zurückgeblieben.«
Noch nie hatte Gertrude sich so geschämt wie in diesem Augenblick, in dem sie zugeben musste, dass sie und die anderen ihre Freundin im Stich gelassen hatten.
»Es ging alles so schnell. Die Männer haben den Wagen von der Straße geschoben und uns gesagt, wir sollten zu Fuß weitergehen. Da haben wir ein paar Vorräte auf Céciles Fleur geladen und Gisela aufgefordert, sich auf Nizhonis Schecke zu setzen. Aber sie wollte nicht und musste daher zurückbleiben.« Arlette wollte Gertrude unterstützen, spürte aber selbst, dass es ein schwächlicher Versuch war, ihr Versagen zu rechtfertigen.
Walther hatte genug Erfahrung mit Trecks, so dass er den Frauen keinen Vorwurf machte. Diese hatten den Männern gehorcht, die ihnen befohlen hatten, weiterzugehen. Weitaus mehr Schuld trugen für ihn die Ranger mit Silas Parker an der Spitze, die seine Frau, seinen Sohn und deren indianische Dienerin einfach zurückgelassen hatten. Der Gedanke, dass die drei hilflos durch die Prärie irrten, war für ihn
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