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Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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horchte noch einmal. Tatsächlich mussten sich ganz in der Nähe Kühe befinden. Neugierig ritt er in die Richtung und sah bald darauf eine Herde von mehr als einhundert Tieren vor sich, die von mehreren Vaqueros bewacht wurde. Ein Stück weiter entdeckte er eine Mustangherde, bei der sich ebenfalls Hirten befanden.
    Die Zahl der Tiere überraschte ihn, und er glaubte zuerst, einer der mexikanischen Hacienderos würde es Hernando de Gamuzana gleichtun und das Land verlassen. Da entdeckte ihn einer der Hirten und preschte in vollem Galopp auf Walther zu. Dabei schwang er seinen Hut und lachte.
    »Señor! Sie sind es!«
    »Quique!« Walther konnte kaum glauben, den jungen Vaquero vor sich zu sehen. Er ritt ihm entgegen und reichte ihm vom Pferd aus die Hand.
    »Gott sei Dank bist du unversehrt!«
    »Und die Herde auch!«, antwortete Quique fröhlich und wies mit weit ausholender Geste auf die Tiere. »Sie ist sogar ein wenig größer geworden. Einige Mexicanos, die es mit Santa Ana gehalten haben, sind geflohen, weil sie die Rache der Americanos fürchten, und haben ihr Vieh zurückgelassen. Wir konnten es doch nicht in der Prärie verwildern lassen. Einen Teil der Rinder haben wir bei den Komantschen gegen Mustangs getauscht. Po’ha-bet’chy kennt uns, und so konnten wir mit ihm handeln.«
    »Du sagst, Mexicanos seien geflohen? Aber ihr seid doch auch Mexicanos«, wunderte sich Walther.
    Quique schüttelte empört den Kopf. »Ich bin ein Tejano, und Julio und die anderen sind es auch. Das hier ist unsere Heimat, und Sie sind unser Señor!«
    Es schwang so viel Treue und Ergebenheit in den Worten des jungen Vaqueros, dass Walther ergriffen nickte. »Ja!«, sagte er. »Ihr seid Tejanos, so, wie ich einer bin! Wir alle gehören in dieses Land.«
    Unterdessen war auch Julio herangekommen. Er begrüßte Walther weniger überschwenglich als Quique, war aber gleichermaßen froh, ihn zu sehen.
    »Willkommen, Señor! Unser Kleiner hat Ihnen gewiss schon gesagt, dass wir ein paar herrenlose Rinder eingefangen haben. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass ich auch ein paar Vaqueros in Ihre Dienste genommen habe, denn das Vieh wurde doch ein wenig viel für uns allein.«
    »Natürlich habe ich nichts dagegen! In dieser Zeit ist jeder froh, wenn er weiß, zu wem er gehört.« Walther lächelte etwas schmerzhaft, denn er vermisste Gisela und wurde im nächsten Augenblick auch nach ihr gefragt.
    »Was ist mit der Señora? Sie müsste mittlerweile mit ihrem Kind niedergekommen sein?«
    »Das ist sie«, antwortete Walther leise. »Aber sie ist dabei gestorben.«
    »Und das Kind?«, fragte Julio erschüttert.
    »Es lebt! Nizhoni und Josef haben eine Ziege gefunden und es mit deren Milch gefüttert.«
    »Die Señora würde sich darüber freuen!« Julio wischte sich über die Augen, die verdächtig feucht wurden, und auch der sonst immer so fröhliche Quique sah aus, als würde er am liebsten weinen.
    »Sie war ein Engel auf Erden, Señor, und das wird sie auch im Himmel sein. Immer, wenn wir nach oben blicken, werden wir an sie denken.«
    »Das hast du schön gesagt, mein Freund. Gisela war ein Engel, und mehr noch, sie war wie ein Teil von mir. Es ist, als würde ich nur noch zur Hälfte leben.«
    Weder Julio noch Quique machten den Fehler zu sagen, dass die Zeit die Schmerzen lindern würde. Stattdessen kam der Vormann auf etwas anderes zu sprechen.
    »Da Sie jetzt hier sind, können wir die Herden wieder näher an die Hacienda treiben.«
    »Es ist keine Hacienda, Julio, nur eine kleine Farm«, antwortete Walther.
    »Das stimmt nicht!«, widersprach der Vaquero. »Eine kleine Farm ist das, was Señor Poulain oder Señor Lucien besitzen. Doch Sie nennen eine richtige Hacienda Ihr Eigen. Sie ist immerhin fast so groß wie die von Señor Jemelin.«
    Walther senkte betroffen den Kopf. »Diego Jemelin ist tot! Er ist bei der Schlacht am Rio San Jacinto durch die Hand von Ramón de Gamuzana gefallen.«
    »Don Ramón war ein überstolzer Mann«, erklärte Julio, »und ähnelte leider zu wenig seinem Bruder Don Hernando. Es ist schade, dass dieser Tejas verlassen hat. Doch Don Ramón hat sich General Santa Ana angeschlossen, und der ist kein guter Mann. Er hat zu viel Blut vergossen, in Mexiko wie auch hier in Tejas.«
    Obwohl Julio und die Vaqueros die letzten Monate in der Einsamkeit der schier unendlich weiten Prärie verbracht hatten, waren sie gelegentlich anderen Menschen begegnet und hatten sowohl von der Schlacht um das Alamo als

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