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Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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sagte er nach einer Weile.
    Rosita fing an zu lachen. »Für ein Neugeborenes ist der Junge sogar recht groß, beinahe zu groß für Gisela. Sie hat sich sehr abgequält, ihn zu gebären.«
    Die Geräusche im Raum weckten Gisela aus einem wirren Traum, den sie, als sie die Augen aufschlug, bereits nicht mehr fassen konnte. Sie blickte zur Wiege, sah Walther und lächelte müde. »Es ist geschafft!«
    »Ich danke dir!« Walther riss sich von dem Anblick des Neugeborenen los und trat zu ihr.
    »Wie soll er heißen?«, fragte sie.
    Die Antwort fiel Walther schwer. Doch als er ihr müdes, abgekämpftes Gesicht sah, war die Entscheidung gefallen. »Josef, nach deinem Vater!«
    »Dann werden wir unseren zweiten Sohn Waldemar nennen«, versprach Gisela ihm.
    Doch jetzt griff Rosita ein. »Bevor Sie über weitere Kinder reden, sollten Sie erst einmal daran denken, dass dieses hier Hunger hat. Darf ich Sie bitten, das Haus zu verlassen, Señor?«
    Nach einem kurzen Blickwechsel mit Gisela gehorchte Walther und ging nach draußen.
    Drinnen forderte Rosita Gisela auf, ihr Hemd zu öffnen, und drückte prüfend an deren Brüsten herum. Doch die Milch, auf die sie gehofft hatte, blieb aus.
    »Das ist nicht gut!«, murmelte Rosita und holte das Kind aus der Wiege. Als sie es Gisela an die Brust legte, schnappte es nach der Brustwarze und begann zu saugen. Doch Augenblicke später ließ der Junge diese wieder los und begann zu weinen.
    »Was ist los?«, fragte Arlette verwundert.
    »Sie hat immer noch keine Milch!« Im Grunde war dies das Todesurteil für das Kind. Rosita versuchte daher alles, um den Milchfluss bei Gisela anzuregen. Sie massierte die Brüste und legte das Kind immer wieder an. Doch es war vergebens.
    Nach mehr als einer Stunde gab sie auf. »Das wird nichts mehr! Oh Heilige Jungfrau, warum lässt du das zu? Sie hat sich bei der Geburt doch so gequält.«
    Gisela war noch verzweifelter als ihre Helferinnen. Unter Tränen starrte sie das hungrige Kind an, dann ihre Brüste und haderte mit Gott und der Welt. Plötzlich hob sie den Kopf.
    »Eine Kuh hat vor einigen Tagen gekalbt. Vielleicht können wir deren Milch nehmen!«
    »Das wäre doch eine Möglichkeit«, rief Gertrude, doch Rosita schüttelte den Kopf.
    »Man kann dem Kleinen zwischendurch ein wenig Kuhmilch geben, ihn aber nicht ganz damit füttern. Er würde rasch krank werden und sterben. Nur eine richtige Amme könnte helfen.«
    »Es muss doch eine Frau geben, die ein kleines Kind hat!« Gisela weinte noch immer, wischte sich aber die Tränen ab und sah Rosita hoffnungsvoll an. Wenn jemand von einer Frau wusste, die Milch hatte, dann war sie es.
    Mit trauriger Miene schüttelte Rosita den Kopf. »Das kleinste Kind in unserer Siedlung ist fast drei Jahre alt und wird nicht mehr gestillt. Bis zur nächsten Geburt werden noch mehrere Wochen vergehen. So lange können wir deinen Sohn nicht mit Kuhmilch füttern.«
    »Vielleicht gibt es bei den Nordamerikanern eine solche Frau«, schlug Gisela vor und vergaß dabei ganz, dass Walther die Gruppe um Spencer vertrieben hatte.
    Um des Kindes willen war auch Rosita bereit, ihre Abneigung gegen das Volk aus dem Norden zu vergessen. Doch bislang wusste niemand, wo sich die Siedler aus den Vereinigten Staaten niedergelassen hatten. Wenn Walther zu diesen reiten wollte, würde er zu lange suchen müssen.
    »Was ist mit den Indianern?«, fragte Gertrude auf einmal. »Es treiben sich doch welche um unsere Siedlung herum. Vielleicht ist eines ihrer Weiber für ein paar Glasperlen bereit, den kleinen Josef zu nähren!«
    Rosita überlegte kurz und ging dann zur Tür. »Das sollten wir mit Señor Waltero besprechen. Señor, kommen Sie bitte!«
    Als Walther ins Haus kam, trat ihm Rosita mit ernster Miene entgegen. »Es gibt Schwierigkeiten! Ihre Frau kann das Kind nicht nähren.«
    »Ich schäme mich so!«, rief Gisela und warf sich verzweifelt auf dem Bett hin und her. Sofort eilten Arlette und Gertrude zu ihr, um sie zu beruhigen, während Walther wie vor den Kopf geschlagen vor Rosita stand und nicht wusste, was er sagen sollte.
    »Wir können den Jungen vielleicht einen oder zwei Tage lang mit Kuhmilch durchbringen. Länger geht das jedoch nicht, denn er würde davon krank werden und sterben. Wenn er überleben soll, braucht er eine Amme. Doch in unserer Siedlung gibt es keine Frau, die ein Kind nährt. Sie müssen daher entweder zu den Americanos im Norden reiten oder eine Indianerin finden, die bereit ist, ihre Milch

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