Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
schnell, wie es ihm möglich war, und lobte seinen Hengst, der selbst nach Stunden kaum Anzeichen von Erschöpfung zeigte. Zwei, maximal drei Tage, so hatte Rosita ihm gesagt, würden sie das Kind mit abgekochter Kuhmilch füttern können, falls es diese überhaupt vertrug. Sollte der Junge Durchfall bekommen, war er kaum mehr zu retten.
Dieser Gedanke trieb Walther vorwärts. Selbst als es Nacht wurde, rastete er nur kurz und saß in dem Augenblick wieder im Sattel, in dem der Mond so hell schien, dass er seine Umgebung halbwegs erkennen konnte. Er begriff aber bald, dass ein Komantsche unter einem Tagesritt etwas anderes verstand als ein Mexikaner. Der Bach, an dem die Indianer lagern sollten, kam und kam nicht in Sicht, und er fürchtete zuletzt schon, Po’ha-bet’chy hätte ihn belogen.
Mit einem Mal spürte er, dass er nicht mehr allein war. Er sah sich um, nahm aber in dem seltsamen Zwielicht des Mondes niemanden wahr. Sollte er anhalten und warten?, fragte er sich, entschied sich dann jedoch, weiterzureiten.
Der Morgen kündigte sich mit einem fahlroten Schein im Osten an, und schon bald konnte Walther mehr erkennen als die einzelnen Büsche, die aus dem weiten Grasland emporragten. Bald traf er auf einen Bach und beschloss, dort zu rasten und seinen Hengst zu tränken.
Kaum war er aus dem Sattel gestiegen, erblickte er in der Ferne einen indianischen Reiter. Hoffentlich ist es ein Komantsche, dachte er und winkte. »Hallo! Ich suche Po’ha-bet’chy!«
Der Indianer kam langsam näher. Um seine friedlichen Absichten zu bekunden, streckte Walther ihm beide Hände leer entgegen. Trotzdem blieb der andere vorsichtig. Etwa zwanzig Schritt vor Walther hielt er seinen Schecken an und legte einen Pfeil auf die Sehne seines Bogens.
Quälend lange Augenblicke sah es so aus, als wolle er schießen. Da Walther jedoch keine Anstalten machte, zu seiner Büchse zu greifen, senkte der Komantsche den Bogen wieder.
»Was du wollen von Medizinträger?«
»Ich will mit ihm Handel treiben«, antwortete Walther. »Ich habe gute Sachen für Po’ha-bet’chy in meinen Satteltaschen. Kannst du mich zu ihm führen?«
»Du mir folgen!« Ohne ein weiteres Wort zog der Komantsche sein Pferd herum und ritt los.
Walther schwang sich in aller Eile in den Sattel und folgte ihm. Zuerst ritt der Indianer ein Stück den Bach entlang, bog dann aber ab und spornte seinen Gaul zum Galopp an. Obwohl sein Hengst mittlerweile erschöpft war, trieb Walther ihn ebenfalls hart an.
»Es tut mir leid, aber es muss sein«, entschuldigte er sich bei dem Tier, das widerwillig prustend schneller wurde.
Zu seiner Erleichterung dauerte der Ritt weniger als eine Stunde, dann sah Walther einen schmalen Fluss vor sich, der an einer Stelle einen kleinen See bildete. Dort waren im Schatten eines spärlichen Gebüsches mehrere Zelte aufgebaut. Sie ragten wie Kegel hoch, hatten bemalte Wände und waren groß genug, um bis zu ein Dutzend Leute zu beherbergen. Bei den Zelten sah Walther etliche Pferde, die von Jungen bewacht weideten, einige Frauen, Kinder, Hunde und nur wenige Männer.
Als sie auf Walther aufmerksam wurden, liefen alle zusammen und starrten mit schrillen Schreien dem Fremden entgegen. Eine ältere Frau verzog das Gesicht und spie aus, während Po’ha-bet’chy aus seinem Zelt herauskam und davor stehen blieb. Auf ein Zeichen von ihm verstummte der Lärm, und seine Leute zogen sich ein wenig zurück.
Der Häuptling wartete, bis Walther herangekommen war und vom Pferd stieg.
»Willkommen!«, grüßte er und beäugte die prallen Satteltaschen. »Du wollen handeln?«
Walther nickte. »Ja, das will ich. Aber in erster Linie bin ich wegen etwas anderem gekommen. Mein Weib hat mir einen Sohn geboren, doch sie kann ihn nicht nähren. Daher frage ich dich, ob es in deinem Stamm ein Weib gibt, das ebenfalls vor kurzer Zeit ein Kind geboren hat und bereit ist, einen Teil ihrer Milch meinem Sohn zu geben. Sie soll es nicht umsonst tun, denn ich werde sie dafür belohnen.«
»Das ist Frauensache. Ich werde fragen!« Po’ha-bet’chy winkte die alte Frau zu sich und übersetzte das, was er von Walther erfahren hatte, in seine eigene Sprache.
To’sa-woonit spuckte erneut aus. »Weshalb sollte eine Nemene das Kind eines weißen Mannes nähren? Soll es doch sterben!«
»Ich will mit dem Mann Handel treiben und Decken, Glasperlen, Messer und einiges andere von ihm kaufen, vielleicht sogar Feuerwaffen.« Po’ha-bet’chys Blick heftete sich bei
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