Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
diesen Worten an Walthers Büchse, die sich stark von den Waffen der Mexikaner oder Nordamerikaner unterschied.
    »Was ist mit der Diné? Ich habe gehört, ihr Kind sei tot, aber ihre Milch wolle nicht aufhören zu fließen«, fragte er.
    »Es war ein schwächliches Kind, das nie ein echter Nemene geworden wäre«, erklärte die alte Frau.
    Während sie Walther musterte, dachte sie, dass Nizhoni durch den Verlust ihres Kindes halb wahnsinnig geworden war und immer noch einen Fremdkörper in ihrer Gruppe darstellte.
    »Wir brauchen die Diné nicht. Der Mann mit der bleichen Haut kann sie haben.«
    »Dann hole sie!«, befahl Po’ha-bet’chy, bevor er sich wieder Walther zuwandte.
    »To’sa-woonit sehen, ob es Frau gibt, die Kind nähren kann. Was du bezahlen?«
    Walther öffnete die Satteltaschen und breitete das, was er mitgebracht hatte, vor Po’ha-bet’chy aus. Dieser ergriff eine der Decken und prüfte sie. Die Qualität war besser als die der Decken, die er von anderen Händlern erhielt oder bei seinen Raubzügen erbeutete. Auch sonst war er mit dem Angebot zufrieden. Dabei ging es ihm nicht um diese Waren, sondern um das eigenartige Gewehr, das am Sattel des Hengstes hing. Er sagte jedoch nichts, sondern wartete, bis To’sa-woonit mit Nizhoni erschien. Obwohl er die Diné nach der Geburt ihres Kindes als eine seiner Frauen in sein Zelt genommen hätte, war er bereit, sie herzugeben. Dafür aber sollte der Fremde ihm den Preis bezahlen, der ihm vorschwebte.

3.
    I n ihren Schmerz um das verlorene Kind eingesponnen, hatte Nizhoni Walthers Ankunft nicht einmal wahrgenommen. Sie saß neben dem Busch, bei dem To’sa-woonit ihren Sohn begraben hatte, und raufte sich voller Verzweiflung die Haare. Es erschien ihr wie ein Hohn, dass ihr Kind tot war, ihre Milch aber weiterhin ihre Brüste zum Bersten füllte. In dem Augenblick wünschte sie sich, ebenfalls tot zu sein, um alles Leid vergessen zu können. Sie hatte den Tod ihres Mannes erleben müssen, war ihrem Stamm geraubt worden und fühlte nur noch Elend und Schmerz. Als jemand sie hart an der Schulter packte, blickte sie auf und sah To’sa-woonit vor sich.
    »Po’ha-bet’chy will, dass du zu den Zelten kommst«, sagte die alte Frau und versetzte Nizhoni einen Schlag, als diese nicht sofort aufstand.
    Verwundert folgte Nizhoni der Alten ins Lager. Dort erst bemerkte sie den Fremden. Er sah anders aus als die mexikanischen Händler, die gelegentlich zu ihrem Stamm gekommen waren. Schon seine Hautfarbe war heller als die jener Männer. Aber am meisten erschrak sie beim Anblick seiner durchdringenden Augen, die von der Farbe des wolkenlosen Himmels waren, und den Haaren, die fahler als die eines Greises unter seinem Hut hervorragten.
    Walther sah eine junge Frau vor sich, die noch keine zwanzig Jahre zählen konnte. Der in sich gekehrte Ausdruck auf ihrem Gesicht und die tränenverschleierten Augen verrieten jedoch, dass sie bereits viel Leid erfahren hatte. Sie war schlank und steckte in einem Kleid, das mehr einem Sack glich. Ihre schwarzen Haare fielen ihr wirr auf die Schultern, und sie hatte sich offenbar geraume Zeit nicht mehr gewaschen. Bei dem Gedanken überkamen ihn Zweifel, ob er dieser Frau seinen Sohn anvertrauen konnte.
    Ohne auf seine ablehnende Haltung einzugehen, entblößte To’sa-woonit die Brüste der jungen Diné, tippte ein wenig gegen die Brustwarzen und sah zufrieden, dass sofort Milch herauskam.
    »Das sein Nizhoni, eine Diné oder Navajo, wie Mexicanos sagen. Po’ha-bet’chy haben sie von anderen Stamm eingetauscht. Sie vor zwei Tagen ihr Kind verloren, doch ihre Milch fließen noch. Du können haben«, sagte Po’ha-bet’chy.
    »Danke!« Walther hätte sich eine andere Amme für den kleinen Josef gewünscht, doch er durfte wahrlich nicht wählerisch sein.
    »Du müssen Preis zahlen, den Po’ha-bet’chy haben will«, fuhr der Häuptling fort. »Da dein erster Sohn, wollen ich keine Decken und Messer, sondern dein Feuerrohr!«
    Walther zuckte zusammen. Die Waffe war das Vermächtnis seines Vaters an ihn, und er wollte im ersten Impuls ablehnen. Dann musterte er die Brüste der jungen Frau, von denen es weiß tropfte, und dachte an Gisela. Sie würde ihm niemals verzeihen, wenn ihr Sohn starb, weil er die einzige Amme, die ihm angeboten worden war, zurückgewiesen hatte. Mit einer müden Bewegung nahm er die Waffe vom Sattel, dazu das Pulverhorn und den Beutel mit den Kugeln und dem Schrot und reichte beides dem

Weitere Kostenlose Bücher