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Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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erst einmal geschafft.

12.
    P epe rannte, so schnell er konnte, ohne daran zu denken, dass ihn eine giftige Schlange beißen oder streifende Indianer skalpieren könnten. Um zu Walther zu kommen, musste er mehr als drei Meilen zurücklegen, und so keuchte er zuletzt so sehr, dass man ihn auf hundert Schritt hören konnte. Er hatte Seitenstechen, ignorierte es aber und taumelte auf die kleine Rinderherde zu, die von Quique gehütet wurde, während Julio und Lope zusammen mit Walther am Lagerfeuer saßen und ein Kaninchen brieten.
    Als Julio den Knecht entdeckte, stieß er Walther an. »Seht dort, Señor!«
    Walther drehte sich um, erkannte Pepe und sprang auf. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, schwenkte der Knecht seinen Strohhut.
    »Sie haben einen Sohn, Señor! Und Ihrer Frau geht es gut, soll ich Ihnen ausrichten.«
    »Unserem Herrn im Himmel sei Dank!« Aufatmend eilte Walther dem Knecht entgegen und fing ihn auf, als dieser vor Erschöpfung zu taumeln begann.
    »Was hast du mir noch zu sagen?«
    Pepe rang nach Atem. Als er schließlich nicht mehr wie ein abgetriebenes Pferd keuchte, hob er in einer hilflosen Geste die Arme. »Nicht mehr als das, Señor! Ich bin sofort losgerannt, um Ihnen die gute Nachricht zu bringen.«
    »Ich danke dir!« Walther drückte ihm die Hand und wollte dann zu seinem Hengst, um ihn zu satteln.
    Doch Julio war schon dabei, es für ihn zu tun. »Meine Gratulation, Señor! Ihr Sohn ist ein echter Mexicano!«, sagte der Vaquero grinsend.
    »Während ich keiner bin, meinst du wohl«, gab Walther gut gelaunt zurück.
    »Vielleicht noch kein ganzer, aber auf dem besten Weg dorthin. Und jetzt steigen Sie auf und begrüßen Ihren Sohn. Er wartet schon auf Sie!« Mit diesen Worten reichte Julio Walther die Zügel und trat zurück, damit dieser sich in den Sattel schwingen konnte.
    Während Walther losritt, wandte der Vaquero sich an Pepe. »Du bist ja ganz schön gerannt! Es wird Zeit, dass wir mehr Pferde bekommen. Der Señor sollte seinen schönen Hengst nicht auch noch als Zugpferd verwenden müssen.«
    Bislang war Pepe nur auf Jemelins zahmstem Pferd geritten. Der Gedanke, sich auf einen wilden Mustang setzen zu müssen, erschreckte ihn, und er wehrte mit beiden Händen ab. »Ich gehe lieber zu Fuß. Pferde beißen vorn, treten hinten und schmeißen dich in der Mitte ab!«
    Julio lachte schallend. »Nun weißt du, warum du nur ein Peon bist und kein Vaquero oder gar Señor. Die fürchten sich nämlich nicht vor einem Pferd. Jetzt setzt du dich erst einmal zu uns. Lope soll dir den Wasserschlauch reichen, und dann bekommst du etwas von unserem Braten ab.«
    Während Julio mit Pepe flachste, ritt Walther im scharfen Galopp nach Hause. Auch er achtete nicht auf den Weg und hatte es im Grunde nur seinem Hengst zu verdanken, dass nichts passierte. Bei der Farm angekommen, zügelte er das Pferd und sprang aus dem Sattel, noch bevor es stand. Ohne sich weiter um das Tier zu kümmern, eilte er zur Tür und sah sich Rosita gegenüber.
    »Meinen Glückwunsch, Señor! Sie sind Vater eines strammen Sohnes geworden«, begrüßte sie ihn.
    Walther schob sich an ihr vorbei ins Haus. »Was ist mit meiner Frau?«
    »Sie schläft! Die Geburt hat sie sehr erschöpft. Aber wir werden sie bald wecken, damit der Kleine seine erste Mahlzeit erhält.«
    Ohne recht zu begreifen, was sie damit meinte, nickte Walther und trat ans Bett. Gisela schlief tatsächlich. Ihre leisen Atemgeräusche und das stetige Heben und Senken ihres Brustkorbs deuteten darauf hin, dass sie die Geburt recht gut überstanden hatte.
    »Es war nicht leicht, Herr Fichtner«, sagte Gertrude jetzt auf Deutsch. »Gisela hat sich sehr gequält. Sie sollten sie in nächster Zeit schonen.«
    »Das werde ich! Notfalls muss Pepe den Haushalt machen«, erklärte Walther und nahm Giselas rechte Hand in die seine.
    »Ein Mann wie Pepe kann das nicht. Sie brauchen eine Magd, Señor«, warf Rosita ein.
    Walther schwirrte der Kopf. Eigentlich wollte er nur bei Gisela sitzen und sie anblicken. Doch auch sein Sohn hatte das Recht, vom Vater betrachtet zu werden. Daher ließ er Giselas Hand los und wandte sich der Wiege zu, die er aus mit der Axt gespaltenen Brettern zusammengenagelt hatte. Die Schreiner zu Hause hätten beim Anblick des Möbelstücks den Kopf geschüttelt, doch für ihn lag das Zweitwertvollste nach Gisela darin, nämlich sein Sohn. Er wagte nicht, das Kind herauszunehmen, sondern sah es nur aus staunenden Augen an.
    »Er ist so klein«,

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