Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
ihm abzusprechen. Gemeinsam mit Mister Austin hätte er sein Land rasch besiedeln können, und zwar sowohl mit guten Amerikanern wie auch mit Europäern wie uns. Es heißt, er hätte euch sogar verboten, mit uns Handel zu treiben oder in unserer Stadt einzukaufen.«
Belcher klang verärgert, denn die wenigen tausend Siedler verloren sich in diesem Land, und es erschien ihm wichtig, dass sie zusammenhielten. Mit einem kurzen Auflachen legte er Walther die Hand auf die Schulter. »Wir nennen es bereits den Kampf der beiden San Felipe. Unsere Stadt heißt nämlich auch San Felipe, allerdings mit dem Zusatz de Austin!«
»Es ist noch eine weitere Stadt geplant, nämlich San Felipe de Gamuzana«, sagte Walther nachdenklich.
Belcher nickte mit verkniffener Miene. »Das haben wir uns schon gedacht. Gamuzana will unsere Siedlung übertrumpfen, aber dafür hat er die falschen Leute geholt. Das ist nicht gegen Sie gerichtet und auch nicht gegen Ihre Franzosen. Aber aus seinen Peones, die gewohnt sind, Schläge als von Gott gegeben hinzunehmen, kann er keine Siedler machen, die dieses Land voranbringen.«
So schlimm sah Walther die Sache nicht, denn er kannte Diego Jemelin und wusste, dass dieser nicht dem Bild entsprach, das Belcher eben aufgezeigt hatte. Von den anderen mexikanischen Siedlern wusste er allerdings zu wenig, um sie einschätzen zu können.
Mit dem Gefühl, in Belcher und dessen Frau Anneliese aufrechte Menschen gefunden zu haben, verabschiedete er sich und stieg wieder auf sein Pferd. Der Farmer erklärte ihm den genauen Weg nach San Felipe de Austin, dann winkte er noch einmal und ging wieder an seine Arbeit.
Während Walther zu seinem Wagenzug zurückritt, schossen ihm verschiedenste Gedanken durch den Kopf. Ganz so düster wie Belcher sah er die Sache nicht. Hernando de Gamuzana mochte ein stolzer Mann sein, aber man konnte mit ihm reden und ihn überzeugen, wenn man die besseren Argumente hatte. In der Hinsicht war es ganz gut, dass sich sein Bruder Ramón der Verantwortung für die Siedler entledigt hatte wie eines alten Rocks. Dennoch beschloss Walther, so bald wie möglich nach San Felipe de Austin zu reiten und mit Stephen Austin zu reden.
3.
A ls Walther den Wagenzug erreichte, fand er alle an einer Stelle versammelt. Flüche flogen hin und her, Frauen keiften und Männer drohten mit Fäusten und Dolchen. Einige hielten sogar Schusswaffen in den Händen und sahen ganz so aus, als wollten sie diese im nächsten Augenblick einsetzen.
»Was geht hier vor?«, rief Walther, doch er erhielt keine Antwort. Verärgert lenkte er sein Pferd durch die dicht stehende Menge und teilte sie wie ein Schiffsbug das Wasser. Im Zentrum entdeckte er einen blutenden Iren sowie einen jungen Sizilianer mit einem Dolch in der Hand, dazu mehrere Burschen aus beiden Gruppen, die ihren Freunden zu Hilfe geeilt waren. Bevor diese aufeinander losgehen konnten, gellte Walthers Stimme auf.
»Auseinander, sage ich! Den Ersten, der eine Waffe benützt, schieße ich über den Haufen!« Da er gleichzeitig den Hahn spannte, wichen die Kerle erschrocken vor ihm zurück.
Walther musterte den verwundeten Iren. »Ich frage nur noch einmal, was hier vorgeht!«
»Diese Schweinebacke wollte mich abstechen«, erklärte der Ire und wies auf den Sizilianer.
»Und weshalb?«, fragte Walther weiter.
Jetzt mischte sich Tonino Scharezzani ein. »Dieser irische Hund hat sich gegenüber der Schwester meines Freundes ungebührlich benommen. Das konnte Paolo nicht dulden.«
Walther übersetzte es ins Englische. Sofort fuhr der Verletzte auf. »Ich habe gar nichts gemacht, sondern wollte nur ein paar nette Worte zu dem Mädchen sagen. Da ist dieser Ochse sofort mit dem Dolch auf mich losgegangen.«
»Stimmt das?«, fragte Walther Krzesimir Tobolinski, da er diesen als neutral ansah.
»Was der Mann zu dem Mädchen gesagt hat, weiß ich nicht, da ich seine Sprache nicht verstehe. Aber er hat sie weder angefasst noch sich auf ungebührliche Weise benommen«, antwortete der Pole nach kurzem Besinnen.
Walther übersetzte es für Scharezzani.
Dieser zog den Kopf ein. »Wenn das so war, dann hat Paolo wohl das Falsche angenommen.«
»Und dabei beinahe einen Mann umgebracht!« Walthers Zorn wuchs, allerdings mehr auf sich selbst, weil er die Siedler etliche Stunden allein gelassen hatte. Eine Wiederholung dieses Vorfalls musste er unter allen Umständen verhindern.
»Don Hernando de Gamuzana hat mich mit der Polizeigewalt in unserem Teil des
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