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Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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warten, schwang er sich auf sein Pferd und ritt los. Nach einer halben Meile drehte er sich um und fand, dass er den Lagerplatz gut gewählt hatte. Eine Buschgruppe verdeckte die Wagen, so dass sie nur von nahem gesehen werden konnten, und das Holz für die Kochfeuer war so trocken, dass kaum Rauch aufstieg. Da er bisher keine Spuren von Indianern entdeckt hatte, glaubte er, die Siedler unbesorgt zurücklassen zu können.
    Zuerst ritt er über flaches Land, das von Gras und einzelnem Buschwerk bedeckt wurde. Dabei traf er gelegentlich auf Kakteen oder Agaven, ein Zeichen dafür, dass es in dieser Gegend heißer war als in der alten Heimat, die Gisela und er hatten verlassen müssen. Nach gut fünfzehn Meilen entdeckte er in der Ferne ein Gehöft und ritt darauf zu. Die Gebäude bestanden aus Holz und deuteten in ihrer Bauweise darauf hin, dass die Bewohner keine Mexikaner waren. Walther fragte sich, wie er dort empfangen würde, und griff unwillkürlich zu seiner Flinte. Allerdings zog er die Hand sofort wieder zurück.
    Ein Mann trat hinter einem Anbau hervor und trug ein Gewehr bei sich. Ihm folgte – ebenfalls bewaffnet – ein halbwüchsiger Bursche, allerdings achteten beide darauf, nicht auf Walther zu zielen. Dieser hob die Rechte zum Zeichen, dass er in friedlicher Absicht erschien, und sah, dass der Mann und der Junge zwar aufmerksam blieben, aber keine feindselige Haltung einnahmen.
    »Buenos días!«,
grüßte Walther, als er auf die Hütten zuritt.
    »Hello«,
klang es auf Englisch zurück.
    Auch Walther wechselte in diese Sprache über. »Sie haben hier einen schönen Besitz.«
    Der andere sah ihm verwundert entgegen. »Für einen Mexikaner sprechen Sie sehr gut Englisch. Aber wenn ich Sie so ansehe, sind Sie gar keiner.«
    »Ich bin mexikanischer Staatsbürger, wenn Sie das meinen«, antwortete Walther. »Allerdings stamme ich von jenseits des Ozeans.«
    »Was für ein Zufall, wir nämlich auch! Sind Sie vielleicht sogar ein Deutscher wie ich?« Der Mann wechselte unwillkürlich in seine Muttersprache über, streckte Walther die Hand entgegen und lud ihn in sein Haus ein. »Sie haben sicher Hunger nach dem Ritt.«
    Walther hatte zwar am Morgen etwas gegessen, nickte aber trotzdem. »Einer kleinen Mahlzeit bin ich nicht abgeneigt, vor allem, wenn es sich dabei gut plaudern lässt.«
    Auch er verwendete nun die deutsche Sprache und erschrak im nächsten Moment darüber. Dann aber sagte er sich, dass Renitz weit jenseits des Ozeans lag und nur ein kaum vorstellbarer Zufall aufdecken konnte, was dort geschehen war.
    »Ich freue mich, einen Landsmann zu treffen. Ich bin Andreas Belcher, und das ist mein Jüngster, Friedrich. Mein Ältester, der Michael, besitzt schon seine eigene Farm. Anneliese, mein Weib, steht drinnen am Herd und wird uns gleich einen kleinen Imbiss auftischen.«
    Walther stieg vom Pferd, und während Friedrich es zum Wassertrog führte, folgte er Belcher ins Haus. Dort wartete dessen Frau bereits neugierig auf sie.
    »Das ist einer unserer Nachbarn, auch ein Deutscher«, erklärte Andreas ihr, ungeachtet der Tatsache, dass bis zu Walthers Besitz über sechzig Meilen zu reiten waren.
    »Sehr erfreut!«, sagte Anneliese und begann damit, den Tisch zu decken. Es gab Tortillas und Bohnensuppe und zuletzt Maiskolben mit Butter, die so gut schmeckten, dass Walther kräftig zuschlug. Statt des hier üblichen Tequilas bot Anneliese ihm mit Wasser vermischten Saft zum Trinken an. Während des Essens erfuhr er, dass Belchers Farm tatsächlich zu Stephen Austins Siedlungsgebiet gehörte.
    »Sie sind sicher einer der wenigen Europäer, die Gamuzana ins Land holen konnte«, sagte Belcher dann. »Besonders erfolgreich war der mexikanische Empresario bisher wohl nicht. Soviel man hört, hat er das Gebiet nur übernommen, um zu verhindern, dass Stephen Austin es bekommt. Wir wollten unser Gebiet nämlich bis an den Rio Colorado ausdehnen. Aber jetzt liegen Gamuzanas Siedler wie ein Riegel vor uns. Dabei sind die meisten von ihnen keine Fremden, sondern Mexikaner, die Gamuzana von seinen eigenen Besitzungen im Süden hierhergebracht hat. Nur bei einer Gruppe Franzosen soll es sich um echte europäische Siedler handeln.«
    »Sie meinen die Überlebenden der
Loire?
Zu denen gehöre ich auch. Jetzt bin ich für die Besiedlung des nördlichen Teils von Gamuzanas Gebiet verantwortlich«, antwortete Walther.
    »Dann haben wir bereits von Ihnen gehört. Nur dachten wir, Sie wären ein Franzose und kein

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