Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Deutscher!« Belcher klang etwas verwundert, aber auch zufrieden, denn mit einem Landmann glaubte er besser zurechtzukommen als mit Leuten, deren Sprache er nicht kannte.
Walther meinte zu spüren, dass Belcher nicht viel von Gamuzanas Siedlungsprojekt hielt, und fühlte sich verpflichtet, es zu verteidigen. »Ich kenne zwar nicht alle Siedler, die bereits hier sind, aber ich lebe in einem Gebiet, in dem sich vor allem Franzosen niedergelassen haben. Außerdem bin ich der Führer eines Siedlerzugs aus Sizilianern, Polen und Iren, die Gamuzana hat anwerben lassen.«
»Wenn es sich um ehrliche und rechtschaffene Leute handelt, sind sie uns willkommen. Ganz offen gesagt: Hauptsache, es sind keine Mexikaner!«
»Was haben Sie gegen die Einheimischen?«, fragte Walther verblüfft.
»Im Grunde nichts! Mir ist es im Gegensatz zu einigen anderen Siedlern auf Austins Land gleichgültig, ob dieses Land jetzt zu den Vereinigten Staaten oder zu Mexiko gehört. Ich will nur in Ruhe meinen Mais anpflanzen und Gott für eine gute Ernte danken können. Aber sehen Sie sich doch die Gamuzanas an! Die halten alle Amerikaner für Wilde, nur weil diese wie wir unser Brot mit unserer Hände Arbeit verdienen und nicht Unmengen an Peones dafür schuften lassen. Außerdem sind sie in erster Linie Mexikaner und sehen uns nicht als gleichberechtigte Bürger der Republik Mexiko an – wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Das tue ich nicht«, antwortete Walther wahrheitsgemäß.
Belcher lachte leise auf. »Sie sind noch zu kurz in diesem Land, um zu begreifen, wie es hier läuft. Nachdem die Mexikaner Kaiser Augustin gestürzt hatten, haben sie einen Bundesstaat errichtet, der dem der Vereinigten Staaten ähnelte, und sie haben eine Verfassung verabschiedet, die den Menschen in diesem Land ihre freiheitlichen Rechte garantieren sollte. Solange die mexikanische Regierung sich daran gehalten hat, gab es auch keine größeren Probleme. Aber in Mexiko hat nicht das Volk das Sagen, sondern Männer wie die Gamuzanas oder General Santa Ana. Wenn es diesen Herrschaften einfällt, die Verfassung außer Kraft zu setzen, sind wir der Willkür jedes mexikanischen Leutnants oder Hauptmanns ausgeliefert. Haben Sie die mexikanischen Truppen gesehen, die angeblich zu unserem Schutz gegen die Komantschen hier in Texas stationiert sind? Es sind Kerle, die zum Galgen oder zu langjährigen Kerkerstrafen verurteilt und dann begnadigt und zum Militär gesteckt worden sind. Ich würde mein Weib mit keinem von diesen sogenannten Soldaten auch nur eine Minute allein lassen.«
»Steht es wirklich so schlimm?«, fragte Walther betroffen.
»In unserer Gegend noch nicht, aber weiter im Südwesten, in Gonzales und San Antonio de Bexár. Allerdings steht zu befürchten, dass die Mexikaner demnächst auch in unsere Gegend Soldaten schicken und diese bei uns Farmern einquartieren.«
»Letzteres wäre ein Bruch sämtlicher Abmachungen«, entfuhr es Walther.
»Stephen Austin tut alles, um das zu verhindern. Er hat Freunde in Mexico City und wird dorthin reisen, um mit ihrer Unterstützung mit der mexikanischen Regierung zu verhandeln. Vielleicht hat er Erfolg.«
»Das wäre uns allen zu wünschen!« Walther wusste nicht, was er von dem Gehörten halten sollte, aber er hatte Ramón de Gamuzana kennengelernt und vor allem General Antonio López de Santa Ana. Beide Männer hatten auf ihn nicht den Eindruck gemacht, als läge ihnen die Verfassung von 1824 besonders am Herzen.
»Übrigens hat Stephen Austin bei seinem letzten Besuch angekündigt, dass Sie irgendwann kommen würden. Er würde gerne mit Ihnen reden, bevor er nach Mexico City reist.«
»Wie weit ist es bis zu seiner Siedlung?«, wollte Walther wissen.
»Gut dreißig Meilen.«
»Für diesmal ist das zu weit!« Walther würde für diesen Ritt mindestens einen weiteren Tag brauchen, und so lange konnte er seine Schutzbefohlenen nicht allein lassen. Andererseits lag das Gebiet der Amerikaner nahe genug an seiner Farm, so dass er hinreiten konnte, sobald er seine Iren, Polen und Sizilianer versorgt hatte.
»Wenn Sie Austin treffen, sagen Sie ihm, dass ich innerhalb des nächsten Monats zu ihm kommen werde. Schließlich sind wir alle Nachbarn und sehen uns den gleichen Problemen gegenüber«, erklärte er Belcher.
Dieser ergriff freudig seine Hand. »Das ist die Antwort, die Mister Austin zu hören hoffte. Ihn ärgert es genauso wie uns, dass Gamuzana euch einfach in die Wildnis geschickt hat, ohne sich mit
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