Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
ich in einer halben Stunde komme, um mit Ihnen und Ihrem Freund zu reden?«
»In einer halben Stunde dürften wir fertig sein. Was meinst du, Thierry?«
Der junge Normanne grinste. »Ich auf jeden Fall!«
»Dann wird Walther es auch sein!« Gisela bedachte Thierry mit einem tadelnden Blick, weil dieser so tat, als wäre Walther langsamer als er, und trat in die Cantina.
Um diese Zeit war noch nicht viel los. Eine junge mexikanische Kellnerin wischte die Tische ab, während ein hagerer Amerikaner leere Flaschen auf dem Bord hinter dem Tresen gegen volle austauschte.
»Die Herrschaften benötigen zwei Zimmer und Wasser zum Waschen«, rief Austin ihm zu.
Der Mann drehte sich langsam um, musterte die mexikanische Tracht, in der Gisela, Walther und Thierry steckten, und wirkte für einen Augenblick so, als wolle er sich nicht um sie kümmern. Dann aber siegte sein Geschäftssinn, und er begrüßte die drei.
»Die Zimmer kosten pro Nacht einen Dollar und sind im Voraus zu bezahlen.«
»Wir bleiben zwei Nächte.« Walther hatte beschlossen, nicht unnötig viel Geld auszugeben.
Auch Thierry war froh, nur zwei Dollar für die Übernachtung opfern zu müssen, und reichte dem Besitzer der Cantina zwei Münzen.
Walther bezahlte ebenfalls und folgte dann einem Knecht nach oben. Das Zimmer, in das Gisela und er geführt wurden, war schlicht eingerichtet. Außer einem halbwegs breiten Bett gab es nur noch einen Tisch, auf dem eine Waschschüssel und ein Krug standen. Der Knecht nahm den Krug, um Wasser zu holen, und ließ Gisela und Walther für einen Augenblick allein.
»Nun, wie gefällt dir dieses San Felipe de Austin?«, fragte Walther.
»Wirst du mich auslachen, wenn ich sage, dass mir Gamuzanas San Felipe vom Aussehen her besser gefällt? Aber ich glaube, dass man hier weitaus besser einkaufen kann.«
»Wieso sollte ich dich auslachen? Gamuzanas Stadt wird seit Generationen bewohnt, und das sieht man auch, während dieser Ort hier rasch und mit geringen Hilfsmitteln aufgebaut worden ist.«
Mehr konnte Walther nicht sagen, weil der Knecht zurückkam und das Wasser brachte. »Der eine Krug ist im Preis eingeschlossen. Mehr kostet einen Dime!«, erklärte er.
»Dime?«, fragte Walther.
Der Knecht sah ihn mit einem vernichtenden Blick an. »Das sind zehn Cent!«
»Danke!« Walther beschloss, es bei diesem einen Krug zu belassen. Irgendwie waren ihm diese Amerikaner zu geschäftstüchtig.
»Fang du an«, forderte er Gisela auf, nachdem der Knecht sich wieder getrollt hatte.
»Nichts da! Oder willst du, dass alle sagen, du wärst zu spät gekommen, weil ich dich aufgehalten habe?«, protestierte seine Frau.
»Aber danach ist das Wasser schmutzig!«
»Du musst ja nicht den ganzen Krug nehmen!« Mit diesen Worten füllte Gisela die Hälfte des Wassers in die Schüssel und trat beiseite, damit er sich waschen konnte.
Walther zog Rock und Weste aus, so dass eine kleine Staubwolke aufstob. »Ich könnte die Sachen dem Wirtsknecht zum Ausklopfen geben, doch ich glaube nicht, dass er es unter einem Dime oder zwei machen würde!«
»Gib her!« Gisela schnappte sich die beiden Kleidungsstücke ebenso wie sein Hemd und seine Hosen und ging in Ermangelung eines Balkons auf den Flur, um einen Platz zu suchen, an dem sie die Sachen ausklopfen konnte. Sie fand schließlich ein Zimmer, bei dem noch eine Außenwand fehlte, und machte sich dort an die Arbeit. Als sie wieder in ihre Kammer zurückkehrte, hatte Walther sich bereits gewaschen und mit einem Leintuch abgetrocknet. Nun zog er sich wieder an, kämmte sich die feuchten Haare mit den Fingern und sah dann auf seine Uhr.
»Ich habe sogar noch Zeit, dir zu helfen!«
»Nichts da! Du gehst jetzt hinab, um mit Herrn Austin zu reden. Ich komme schon allein zurecht.«
Gisela wollte nicht, dass er sah, wie sehr das Reinigen seiner Kleidung sie angestrengt hatte. Alles drängte sie, sich ins Bett zu legen, aber vorher wollte sie sich noch waschen. Daher hielt sie Walther die Tür auf und zog sich, als er gegangen war, mit müden Bewegungen aus. Ihr Kleid konnte sie an diesem Tag nicht mehr ausklopfen. Daher legte sie es so hin, dass es am wenigsten staubte, und benetzte ihr Gesicht mit Wasser. Es war kühl und tat gut. Nachdem sie sich etwas erholt hatte, wusch sie sich von oben bis unten, zog dann das Nachthemd an, das Mercedes de Gamuzana ihr geschenkt hatte und das ihr für den täglichen Gebrauch zu schade gewesen war. Anschließend legte sie sich ins Bett und dämmerte
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