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Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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verkündeten, dass es sich bei einem um ein Gasthaus, bei einem anderen um einen Laden und beim dritten um einen Barbier handelte.
    Doch auch wenn der Ort weniger Einwohner zählte als San Felipe de Guzmán, so wirkte er lebendiger. Davon war auch Gisela rasch überzeugt, denn ihre Blicke wurden von den Kleidern der einheimischen Frauen angezogen. Die Stoffe, die diese trugen, waren von guter Qualität und stammten höchstwahrscheinlich aus dem Store.
    »Ich brauche Tuch für ein oder zwei neue Kleider, eines für die Arbeit und ein besseres«, sagte sie zu Walther. »Außerdem muss Nizhoni etwas anderes zum Anziehen bekommen als abgelegte Kleider von mir.«
    Thierry grinste und zwinkerte Walther zu. »Vielleicht ist es ganz gut, dass ich noch nicht verheiratet bin. Wenn ich daran denke, ich müsste meine letzten Dollars für ein Kleid ausgeben, obwohl andere Dinge viel dringender wären.«
    Er sagte es auf Französisch und irritierte damit ein paar Passanten, die neugierig näher gekommen waren.
    »Das müssen Leute aus dem French Settlement sein«, raunte einer dem anderen zu.
    »Mir gefallen sie auf jeden Fall besser als Gamuzanas Mexikaner, auch wenn sie mexikanische Kleidung tragen«, erwiderte dieser.
    »Ich habe gehört, es soll sich um die Überlebenden eines französischen Schoners handeln, die nicht mehr als das retten konnten, was sie am Leib trugen«, gab ein Dritter zum Besten.
    »Dann haben sie auch kein Geld, um was zu kaufen«, meinte der Erste und wandte sich mit einer enttäuschten Geste ab.
    Das Letzte hatte Walther verstanden und lächelte nachsichtig. Gisela und er hatten ihr gesamtes Geld von der
Loire
retten können, und in Thierrys Taschen klimperten ebenfalls etliche Dollars. Das Geld hatte ein Onkel in die alte Heimat geschickt, um dem Bruder und dessen Sippe die Auswanderung zu ermöglichen. Thierrys Eltern waren bereits während der Überfahrt gestorben, doch er selbst, seine Schwester und einige andere Verwandte hatten den Schiffbruch überlebt und von Gamuzana Land erhalten.
    »Einen schönen guten Tag. Wo kann man hier übernachten, wenn man ein oder zwei Tage bleiben will?«, fragte Walther die Anwesenden auf Englisch.
    »Übernachten und essen könnt ihr in der Cantina – wenn ihr Dollars oder Pesos habt, heißt das«, meinte der Mann, der schon vorhin ihre Zahlungsfähigkeit in Zweifel gezogen hatte.
    »Ich glaube, dafür reicht es noch.« Walther lenkte den Wagen zu dem Haus, das ein Holzschild als ›Cantina‹ auswies. Dort stieg er vom Bock und hob Gisela vom Wagen.
    Da kam Stephen Austin mit langen Schritten heran und trat sichtlich erfreut auf ihn zu. »Willkommen, Mister Fitchner! Ich dachte mir doch, dass Sie uns besuchen würden.«
    »Der Name lautet Fichtner«, korrigierte Walther den Mann, doch der winkte nur lachend ab.
    »Das ist zu ungewohnt für eine amerikanische Zunge! Allerdings leben hier einige Deutsche, die sich freuen werden, einen Landsmann an ihr Herz zu drücken.«
    Wenn Austin bei seinem Gegenüber Freude darüber erwartet hatte, Landsleute treffen zu können, sah er sich enttäuscht, denn Walther ging nicht auf die Bemerkung ein.
    »Wo kann ich den Wagen unterstellen?«, fragte er stattdessen.
    »Beim Schmied«, erklärte Austin und winkte den Mann auch gleich heran, damit er sich des Gespanns annehmen konnte.
    Der Schmied zögerte, denn er hatte die Bemerkung seines Mitbürgers gehört, dass es sich bei den Besuchern um die mittellosen Überlebenden eines Schiffsunglücks handeln sollte. Umsonst wollte er nicht für die Pferde sorgen. Ein scharfer Blick von Austin brachte ihn aber dazu, die Tiere beim Zügel zu nehmen und samt dem Wagen wegzuführen.
    Austin streckte nun auch Thierry die Hand entgegen. Dieser ergriff sie und beantwortete seinen Willkommensgruß mit einer englischen Floskel. Sofort entspannten sich die Gesichter der anderen. Sie waren doch misstrauisch gewesen, wie sich die Fremden benehmen würden. Immerhin waren diese von Gamuzana angesiedelt worden, und der galt nicht gerade als Freund.
    »Ihre Frau wird sich sicher ein wenig frisch machen wollen«, schlug Austin vor.
    »Das würden wir auch gerne. Immerhin sind wir zwei Tage unterwegs gewesen!« Obwohl es Walther drängte, mit Austin zu reden, wollte er erst den Staub loswerden, der Haut und Kleider bedeckte.
    Mit einem verständnisvollen Lächeln wies Austin auf die Cantina. »Dort können Sie übernachten. Man wird Ihnen gleich Wasser auf die Zimmer bringen. Ist es Ihnen recht, wenn

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