Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
setzte er hinzu. »Ich treffe gelegentlich einen der mexikanischen Siedler. Er ist ein geborener Tejano und voller Hass auf die Männer aus dem Norden. Letztens sagte er, man solle alle Americanos aus dem Land jagen und dafür sorgen, dass nur noch Mexikaner Land erhalten.«
»Narren gibt es auf beiden Seiten«, erklärte Walther und fragte sich gleichzeitig, wie es ein paar Tausend Mexikaner schaffen wollten, die drei- bis vierfache Zahl an Nordamerikanern aus dem Land zu treiben. Dafür benötigten sie das Militär – und das bedeutete Krieg. Er konnte sich kaum vorstellen, dass die Bewohner der Vereinigten Staaten tatenlos zusehen würden, wie ihre Landsleute von ihrem rechtlich erworbenen Besitz verjagt und über die Grenze getrieben wurden.
»Wir werden nach unserer Rückkehr über dieses Thema sprechen müssen!«, antwortete er nachdenklich.
Ihm war klargeworden, dass er und die anderen Bewohner des Landstrichs, für den er verantwortlich war, eine eigene Haltung in den sich entwickelnden Spannungen bestimmen mussten. Sie waren inzwischen mexikanische Staatsbürger, und seiner Meinung nach konnten sie dies auch bleiben. Dabei fiel ihm Andreas Belchers Ausspruch wieder ein, dass er nur ungestört seinen Mais anpflanzen wolle. Das wollten er, Thierry, Poulain und die anderen auch.
»Ich hoffe, die Unruhe im Land nimmt nicht weiter zu«, berichtete Thierry. »Ich bin ebenfalls einem Mexikaner begegnet und wollte ihn zu mir einladen. Doch er mochte nicht. Als er weiterritt, hörte ich, dass er mich einen verdammten Americano nannte.«
Walther erschien die Feindseligkeit der mexikanischen Siedler als schlechtes Omen. Bei Diego Jemelin hatte er nichts davon bemerkt, aber dieser wusste, dass er aus Europa stammte und bei Hernando de Gamuzana gut angeschrieben war. Auch Thierry stammte aus Europa, ragte aber mit seiner Größe und den dunkelblonden Haaren unter Mexikanern heraus. Jemand, der nicht wusste, woher er kam, konnte ihn leicht für einen Nordamerikaner halten. Walther musste daran denken, dass dies auch für ihn galt.
»Ich glaube, wir werden bei meiner Rückkehr viel zu bereden haben«, sagte er mehr zu sich selbst als zu den anderen, half Gisela auf den Wagen und schwang sich auf den Bock.
»Bis bald! Und haltet bitte ein Auge auf meine Farm.« Er winkte noch einmal, schwang dann seine Peitsche und ließ sie über den Ohrenspitzen seines Pferdes kreisen. Das Tier zog kraftvoll an, und schon bald blieb die Farm hinter ihnen zurück.
Thierry musste sich sputen, um aufzuholen. Nach einer Weile ritt er neben dem Wagen und begann ein Gespräch. »Mir gefällt die Entwicklung nicht! Als wir uns im letzten Jahr hier angesiedelt haben, sah alles ganz anders aus.«
»Vielleicht haben wir es auch nur anders gesehen«, antwortete Walther. »Oder besser gesagt – wir wollten es so sehen, wie es uns gefiel. Diesen Stiefel muss auch ich mir anziehen. Immerhin habe ich mich von Hernando de Gamuzana beschwatzen lassen, in Tejas zu bleiben, und euch überredet, es auch zu tun.«
»Jeder von uns hat sich freiwillig entschieden, Gamuzanas Angebot anzunehmen. Wir hätten es nicht tun müssen, sondern uns nach La Nouvelle-Orléans durchschlagen können. Aber dort wären wir als Bettler angekommen, während wir hier unseren eigenen Boden besitzen und es zu einem gewissen Wohlstand bringen können.«
Thierry lachte kurz und schüttelte dann den Kopf. »Mir gefällt dieses Land, Walther, und ich will hierbleiben. Außerdem sind wir jetzt nicht mehr allein. Du hast mehr als fünfzig Familien hierhergebracht, die genau wie wir aus der alten Welt stammen. Wenn wir zusammenhalten, können uns auch die Mexikaner nicht vertreiben.«
»Wir haben dieses Land nach Recht und Gesetz erhalten und der Republik Mexiko die Treue geschworen. Diesen Eid halte ich so lange, wie die Behörden in Mexiko ihrerseits Recht und Gesetz achten.«
Damit war für Walther alles gesagt. Er war kein Rebell, und er empfand auch keine Liebe zu den Vereinigten Staaten, doch er würde sich niemals mehr so ducken, wie er es in der alten Heimat hatte tun müssen.
»Ich werde mit Rosita sprechen, damit ihr Mann den Siedlern in seinem Gebiet erklärt, dass sie nicht mehr so dumm daherreden sollen«, warf Gisela ein.
»Tu das!«, stimmte ihr Walther zu. »Vielleicht begreifen dann auch die restlichen Mexikaner in Tejas, dass wir nur in Ruhe unseren Mais pflanzen wollen! Der Ausspruch stammt übrigens von einem Siedler in Austins Gebiet.«
»Wie lange
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