Der weite Weg nach Hause
wie sein Kopf sie produziert. Er könnte auf der Toilette sitzen, wenn es passiert. Kein Wunder! Das ist doch nichts als lauter fauler Zauber. Er denkt sich irgendein altes, angeblich ernsthaftes Zeug aus. Meinetwegen Doppelhelix / Tennisbälle / Sterblichkeit. Heureka! Holt sich ein paar schlechtbezahlte Studioassistenten, die das verschissene Objekt herstellen. Kriegt noch nicht mal Kleber an die Hände. Schaukelt einfach seine Eier und wartet auf den Scheck. Für mich ist er die Verkörperung von allem, was in diesem Land halbgar ist. Niemand benutzt mehr seine verflixten Augen. Da rennt ein Haufen splitternackter Kaiser rum, und keinem fällt es auf. Und in Zeiten von Stress und extremer Armut kotzt mich das extrem an.«
Sie tranken Tee und aßen Schinken-Sandwiches. Hin und wieder fiel Sonne ins Zimmer. Christy blickte zum Fenster und sagte: »Was mir am meisten an unserem Ausflug nach Silverstrand gefallen hat, war das Herumgehopse im eiskalten Wasser. Das war der schönste Moment.«
Lev erinnerte Christy daran, dass es noch andere schöne Momente gegeben hatte: wie sie Minigolf spielten und Frankie und Sophie gewinnen ließen; wie sie an den Strand zurückkehrten, als der Himmel wieder aufklarte und die Sonne unterging, und Steine über die flachen Wellen tanzen ließen; und wie sie die Reiter auf weißen Ponys beobachteten, die über den Sand geritten kamen ...
»Klar, du hast recht«, sagte Christy. »Alles in allem war es ein herrlicher Tag. Wieso sucht sich das Gehirn immer nur bestimmte Dinge raus und wägt dauernd ab und vergleicht? Ichhab nie rausgekriegt, wieso meins dafür so anfällig ist. Hab nicht den geringsten Schimmer.«
Lev schwieg einen Moment. Beide zündeten sich eine Silk Cut an. Nachdem Christy den Blechaschenbecher geholt hatte, sagte Lev: »Glaubst du, Sophie mag mich wirklich, Christy?«
»Schön«, sagte Christy und schlug seine dünnen Beine in den verblichenen Jeans übereinander, »hier kommt mal wieder eine der ganz großen Fragen. Also gut, denken wir nach. Aber jetzt hör mal zu, Kumpel. Woher soll ich wissen, ob sie dich mag oder nicht? Wenn hier jemand ist, der das wissen sollte, dann du. Also, was glaubst du ?«
»Ich weiß nicht«, sagte Lev. »Deshalb frage ich. Manchmal denke ich ja, manchmal nein ...«
»Also«, sagte Christy, »ich hab versucht, meine Augen zu gebrauchen. Sophie ist ein hübsches Mädchen. Sie hat ein Herz, anders als Angela, die dort, wo ihr Herz sitzen sollte, eine alte vergammelte Wassermelone hat. Und offenbar gefällt ihr auch alles, was du im Bett machst, sonst würde sie nicht darauf bestehen. Aber was die Liebe angeht, wie soll man das ergründen?«
»Ich weiß nicht.«
»Also, ich würde sagen, geh nicht davon aus, dass es eine strahlende und glorreiche Zukunft gibt.«
»Geh nicht aus?«
» Rechne nicht mit irgendwas. Wie ich schon sagte, englische Mädchen sind wechselhaft wie Ebbe und Flut, Lev. Vielleicht macht sie sogar gerade mit Preece rum, diesem Haufen wackeliger DNA.«
Sie erklärte ihm, nein, sie flirte zwar gern, aber sie sei jetzt sein Mädchen, Levs Mädchen, also solle er das Ganze bitte einfach vergessen. Es war Freitagnacht, und sie trug einen BH und einen Tanga, beide türkisfarben, und lag ausgestreckt auf einem Läufer vor ihrem Gasofen. Sie zog ihren Tanga aus und kniete sich auf allen Vieren hin und sagte: »Fick mich so. Wie das Miststück, das ich bin.«
Er bewegte sich kaum in ihr. Sein Verlangen nach ihr war inzwischen so stark, dass er wusste, er würde in Sekunden kommen. Sie schrie ihn an, schneller zu machen, ihr wehzutun . Er versuchte, ihr zu erklären, nein, er ginge sonst los, es wäre vorbei, aber sie schrie weiter, als gehöre das Schreien dazu, sei Teil dessen, was sie brauchte. Also ließ er alles so geschehen, wie sie es wollte, und der Höhepunkt war so heftig, dass das Zimmer sich verdunkelte und er einfach auf sie fiel, wie ein Tier, erschöpft, sterbend.
Im Bett drehte sie sich von ihm weg und rollte sich allein zum Schlafen ein. Er lag wach und horchte auf die Straßengeräusche und ihren leisen Atem und auf sein eigenes Herz, das immer noch stark und vernehmlich schlug. Dann stand er auf und wanderte lautlos in ihrer Wohnung umher, untersuchte ihr Leben im Dämmerlicht, und es war ihm klar, dass dies hier alles war, was er von ihr kannte, diese Wohnung, in der er kaum etwas sehen konnte.
Schließlich legte er sich auf ihr Sofa, deckte sich mit seinem Anorak zu und versuchte zu schlafen.
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