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Der weite Weg nach Hause

Der weite Weg nach Hause

Titel: Der weite Weg nach Hause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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Aber sein Verstand kam nicht zur Ruhe. Um ihn einzulullen, dachte er sich Suppenrezepte aus: eine Fischsuppe aus Petersfisch, Weißfisch, Tintenfisch, Zwiebeln, Tomaten und Wein; eine Borlottibohnensuppe mit Petersilie und Zitronenöl; eine Erbsen-Kartoffelsuppe auf Schinkenknoblauchbasis; eine Minestrone mit Speck; eine Pilzsuppe mit Sauerrahm ... Während er einen raffinierten Gemüsesud komponierte, voller Stolz, dass er mittlerweile so viele verschiedene Reste zu verwenden wusste, sank er, gerade als die Märzdämmerung über London hereinbrach und der Verkehr auf der Kentish Town Road mit seinem langsamen, wahnsinnig machenden Brummen einsetzte, endlich in eine tiefe Bewusstlosigkeit.
    Zwei Stunden später, es war jetzt Tag, wirkte Sophie still, sogar fast traurig. Das verrückte Mädchen mit dem türkisfarbenen Tanga war verschwunden. Sie streichelte Levs Gesicht.Dann sagte sie: »Lev, ich kann am Sonntag nicht nach Ferndale Heights. Meiner Mutter geht es nicht gut, deshalb muss ich zu ihr nach Godalming. Kannst du alleine gehen?«
    »Ich möchte nicht ohne dich gehen.«
    »Bitte. Besuch Ruby. Sie war krank. Ich wollte ihr etwas Obst bringen. Ruby würde dich gerne sehen.«
    »Nein. Ruby sieht dich gern.«
    »Ich kann nicht, Lev. War schon ewig nicht mehr bei meiner Mutter. Bitte geh nach Ferndale. Hilf ihnen, ein leckeres Mittagessen zu kochen. Hol so viele Bewohner wie möglich raus in die Sonne, damit sie die Narzissen sehen. Aber red vor allem mit Ruby. Sie ist so einsam.«
    Schließlich sagte er widerstrebend zu, allein hinzugehen. Sie dankte ihm, streichelte noch einmal sein Gesicht und sagte: »Okay, hör zu. Sonntag in einer Woche ist die Pressevorführung von Andy Portmans Stück Peccadilloes am Royal Court. Ein Pflichttermin. Hast du Lust, mich zu begleiten?«
    Lev schaute sie an. Er mochte nicht über ihre Freunde nachdenken. Er wollte sie gern sanft ins Bett geleiten, auf zärtliche Weise mit ihr schlafen.
    »Lev, sag, ob du mitkommen möchtest oder nicht. Wenn nicht, lade ich jemand anders ein.«
    »Ja? Du lädst zum Beispiel Howie Preece ein?«
    »Nein. Die sind alle sowieso da. Aber ich kann nicht alleine da hin. He, wir könnten doch ein bisschen einkaufen gehen, was Nettes für dich finden, damit du bei dieser Pressegeschichte eine gute Figur machst. Für mich. Du siehst nämlich verdammt gut aus. Du brauchst nur was Besseres zum Anziehen.«
    Lev zündete sich eine Zigarette an. Von seiner schlaflosen Nacht tat ihm der Kopf weh. Er blickte auf seine Hand und sah, dass sie zitterte. Er sagte: »Sophie, ich habe mich gefragt ... Magst du mich wirklich ...?«
    »Lev«, sagte Sophie scharf. »Fang nicht damit an. Wie viel Bestätigung brauchst du denn noch? Ich bettele doch darum,oder etwa nicht? Denk an gestern Abend auf dem Teppich. Herrgott noch mal, ich war Fräulein Schamlos. War das nicht ein Zeichen?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Natürlich war es das. Nur weil ich nicht in diesem Kinderbett schlafen will, während Christy Slane durch die Wand zuhört ...«
    »Nicht das.«
    »Was dann?«
    »Nichts. Nur, ich wünschte, ich würde wissen.«
    »Was wissen?«
    »Was ich hoffen kann.«
    »Mach dir doch nicht solche Gedanken, Lev. Sei ein bisschen gelassener, okay? Es wird sich alles klären. Und jetzt sag mir, ob du mit mir das Stück sehen willst oder nicht.«
    »Ja«, sagte Lev. »Gut. Ich will. Kommst du jetzt wieder mit mir ins Bett?«
    Er sah, wie sie zögerte, doch dann überließ sie ihm ihre Hand. Sie gingen in ihr Schlafzimmer und verschlossen die Vorhänge vor dem Frühlingstag. Zuerst hielt er sie keusch, wie ein Mädchen, mit dem Kopf an seiner Schulter.
    Am Sonntagmorgen regnete es, und die Ferndale-Heights-Bewohner wirkten bedrückt. »Es ist wegen Berkeley«, sagte Minty Hollander zu Lev. »Er liegt im Royal Free. Er kann sehr streitsüchtig sein, aber wir haben hier so wenig Männer, und wir beten alle, dass er durchkommt.«
    »Was hat Berkeley, Mrs. Hollander?«
    »Lungenentzündung, Darling. Den Freund des alten Menschen. Und Berkeley ist ja auch − anders als die meisten von uns − das, was man einen wahrhaft alten Menschen nennen kann. Aber er fehlt mir so.«
    Lev ging in die Küche und bot den Angestellten, Mrs. Viggers und ihrer Tochter Jane, seine Hilfe bei der Zubereitung desSonntagsessens an. Die zwei Frauen, beide in gelben Overalls, die Hände in die gewaltigen Hüften gestemmt, betrachteten ihn.
    »Und wer bist du?«, fragte Mrs. Viggers.
    »Ich bin Lev. Ich half hier

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