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Der weite Weg nach Hause

Der weite Weg nach Hause

Titel: Der weite Weg nach Hause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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Weihnachtstag − mit Sophie.«
    »Ah ja, davon haben wir gehört: die feine Soße, nicht? Dann bist du also Koch?«
    »Ich lerne, Koch zu sein.«
    »Tja, wir sind keine ›Köchinnen‹, was, Jane? Wir kochen nur gutes, einfaches Essen, aber es hat sich noch keiner beschwert.«
    Jane baute sich direkt vor Lev auf und starrte ihn an. Sie streckte eine Hand aus, als hätte sie ihn gern berührt, zog sie aber wieder zurück.
    »Jane!«, fuhr ihre Mutter sie an. »Gib dem Mann eine Aufgabe. Sag ihm, er soll die Paxo mischen.«
    Jane zuckte zusammen. Ihre feuchten Augen mit den Tränensäcken blickten verschreckt. Langsam nahm sie ein Päckchen aus einem Regal und reichte es Lev.
    »Was ist das?«, fragte er.
    »Füllung, Herzchen«, sagte Mrs. Viggers. »Für den Schweinebraten. Rühr es einfach mit Wasser an. Gib ihm eine Schüssel, Jane.«
    Lev sah sich das Päckchen an, legte es beiseite. Er begann, in der Küche herumzuwandern und Schränke zu öffnen. Er fand eine Tüte mit getrockneten Aprikosen und ein Glas mit getrocknetem Rosmarin und stellte beides auf die Arbeitsfläche. Er nahm ein paar Zwiebeln und etwas Petersilie aus dem Gemüsebord. »Ich mache eine Füllung mit diesen«, sagte er. »Haben Sie Brot für Brösel?«
    »Aprikosen? Zu Schweinefleisch?«, sagte Mrs. Viggers. »Das essen die nicht.«
    »Das werden sie«, sagte Lev und begann mit dem Schnibbeln.
    Mrs. Viggers schüttelte den Kopf und reichte Lev zögerndeine Scheibe Weißbrot, entfernte sich dann, schaute aber beim Kartoffelschälen immer wieder zu ihm herüber.
    »Dann hast du kein Visum, Olev?«, sagte sie nach einer Weile.
    Lev setzte seine Arbeit fort. Er warf Butter in eine Pfanne und dünstete darin die Zwiebeln, Aprikosen und Kräuter an.
    »Wetten, dass er kein Visum hat?«, sagte Jane. »Er ist illegal.«
    »Stimmt das?«, sagte Mrs. Viggers. »Aha, ein Asylant?«
    Die Aprikosen begannen ihren Duft zu verströmen. Mit dem röhrenden alten Mixer machte Lev Semmelbrösel, griff nach Salz und Pfeffer und begann, seine Füllung zusammenzumischen. Dann sagte er: »Können Sie mir bitte das Schweinefleisch zeigen?«
    »Zeig ihm den Braten, Jane. Er will nicht reden, und ich weiß auch, warum ...«
    Jane legte das Fleisch auf eine Platte, eine vakuumverpackte Schweinelende, entbeint und gerollt und mit einer dicken Schwarte. Im GK Ashe hatte Lev zugesehen, wie GK Schweineschwarte einkerbte und präparierte, und er nahm sich ein Messer und schärfte es. Die zwei Frauen starrten ihn an.
    »Hast du keine Angst, die von der Einwanderung kommen vorbei und polieren dir die Fresse?«
    »Polieren mir die Fresse? Was ist das?«
    »Meine Güte, der weiß gar nichts. Du weißt gar nichts, Herzchen. Die Einwanderung. Die haben überall ihre Leute, in Verkleidung. Ich könnte auch von denen sein, ohne dass du’s weißt. Dann bist du erledigt. Dann sitzt du im ersten Flugzeug zurück.«
    »Ja? Wohin zurück?«
    »Dorthin, wo du hergekommen bist: Bela-wie auch immer, Kasach-wo auch immer.«
    Lev packte das Fleisch aus und tupfte es trocken, löste die Fäden und stopfte seine Füllung hinein. Dann kerbte er streichholzschmaleRillen in die Schweineschwarte und rieb Salz und Senfpulver hinein. Er band den Braten wieder zusammen.
    »Mama«, sagte Jane. »Er macht da Rillen rein.«
    Mrs. Viggers kam zu Levs Arbeitsplatz herübergeschlurft und stützte die Ellbogen auf die zerkratzte Resopalplatte. Ihre Brüste hingen ihr über die Unterarme. »Wenn du versuchst, es knusprig zu kriegen, lass es sein, Herzchen. Dieses Fleisch wird nie knusprig. Die tun Hormone ins Schweinefutter, und da bleibt es gummiweich.«
    »Dies wird knusprig«, sagte Lev.
    »Und überhaupt, sie können gar keine verdammte Kruste essen. Sie haben keine verdammten Zähne!«
    »Okay«, sagte Lev. »Aber wenn kross wird, ist leicht, wissen Sie. Dann können sie vielleicht knuspern.«
    Jane Viggers hatte ein teuflisches Lachen. Jetzt hallte es durch die schmuddelige Küche, und Lev überlief es kalt.
    »Knusper-knusper!«, sagte Jane. »Knusper-knusper Knäuschen!«
    »Lass das, Jane Vig«, sagte Mrs. Viggers. Zu Lev sagte sie dann: »Jane macht manchmal einen falschen Eindruck. Aber sie ist normal wie Rosenkohl.«
    In Ruby Constads Zimmer sagte Lev später: »Ich glaube, die Küchenfrauen hier sind verrückt.«
    »Wirklich?«, sagte Ruby. »Wie faszinierend.«
    »Jane ist auf jeden Fall verrückt.«
    »Ich habe hin und wieder komische Geräusche aus der Küche gehört. Aber vielleicht ist das

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