Der weite Weg nach Hause
kleine Maschine. Dann sah der Wachtmeister Lev direkt ins Gesicht. Seine blassen Augen blickten Lev fest und unerschrocken an. »Schön. Dann haben Sie verstanden, dass gegen Sie ein Bußgeld erlassen wird wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses.«
»Ich sagte den Polizisten im Auto Entschuldigung.«
»Ja? Na, ich bin sicher, dass sie sich darüber gefreut haben. Also, das Bußgeld beträgt achtzig Pfund, die jetzt bezahlt werden müssen. Können Sie mir folgen?«
Lev schwieg. Er wünschte, es gäbe ein Fenster zum Hinausschauen, ein Stück Himmel oder Vögel, die sich auf einem hohen Dach niederließen. Im Kopf stellte er eine furchtbare Rechung auf: 170 Pfund für die Wildlederjacke; 42 für sein überflüssiges Hemd; jetzt noch die Geldstrafe. Insgesamt eine Summe von 292 Pfund, verschleudert .
»Hören Sie überhaupt zu? Haben Sie meine Frage gehört?«
»Ja«, sagte Lev.
»Dann antworten Sie bitte. Verstehen Sie die Anschuldigung und die daraus erwachsende Geldstrafe?«
»Ja.«
»Wie werden Sie also zahlen?«
Jetzt erschien ein entsetzliches Bild vor seinem inneren Auge: sein Portemonnaie auf dem Tresen in der Bar und daneben, zwischen verschüttetem Bier, sein kostbares Bild von Maya ... Er begann seine Hosentaschen zu durchsuchen. Seitentaschen. Rechts. Links. Gesäßtasche. Erneut Seitentaschen. Rechts. Links ...
»Ich warte, Olev. Sagen Sie mir einfach, wie Sie zu zahlen wünschen. Bar oder mit Kreditkarte?«
Nichts in irgendeiner Tasche. Nur ein paar Münzen, Tabakkrümel und ein altes Päckchen Zigarettenpapier.
Lev legte den Kopf in die Hände. Kein Geld. Kein Bild von Maya. Keine Kreditkarte. Kein Handy. Er spürte, wie Tränen in ihm aufstiegen, und presste die Handflächen auf die Augen.
Keine Sophie.
Er ließ seinem Schluchzer freien Lauf. Er erinnerte ihn an einen heulenden Wolf.
»Ich weiß nicht, wie ich bezahlen kann«, stammelte er.
»Bar oder Kreditkarte.«
»Ich habe nichts. Mein Portemonnaie ist weg.«
Der Wachtmeister wartete und starrte auf Levs Elend, als wäre es ein Fernsehprogramm, das ihn langweilte. Er schob Lev die Schachtel mit Taschentüchern hin, seufzte und sagte: »Wenn der Beschuldigte nicht in der Lage ist, die Geldstrafe zu begleichen, schlagen wir die Einbeziehung einer dritten Partei vor.«
»Entschuldigung?«, sagte Lev.
»Wir nennen es ›Telefonjoker‹.«
»Entschuldigung?«
» Wer wird Millionär? Im Fernsehen. Gucken Sie das nicht?«
»Nein. Ich arbeite abends.«
»Egal. Wollen Sie mit einem Freund telefonieren?«
Lev putzte sich die Nase. Die bitteren Reste seiner Übelkeit schienen dort festzusitzen. Er hätte das Papiertuch gern weggeworfen,aber es gab keinen Mülleimer. Er sah, dass der Wachtmeister nach einer Klarsichthülle griff und ein Mobiltelefon herausnahm. Er legte das Handy vor Lev hin. An dem türkisfarbenen Gehäuse erkannte Lev, dass es seins war.
»Oder haben Sie keine Freunde in England?«, sagte der Wachtmeister.
Lev starrte auf das Handy. Dann nahm er es und hielt es zärtlich in der Hand. »Ich habe Freunde«, sagte er.
»Schön. Ich schlage vor, Sie rufen jetzt gleich an.«
Lev trank den Rest Tee. Er wählte Christys Nummer in der Belisha Road. Er hörte den Anrufbeantworter anspringen:
Hallo. Sie sind mit Christy Slane verbunden. Legen Sie nicht auf, ohne eine Nachricht zu hinterlassen, oder rufen Sie mich wenn es sich um dringende Klempnerarbeiten handelt, auf meiner Handynummer an, 07 851 6 022 258. Melde mich in Kürze bei Ihnen.
»Christy«, sagte Lev. »Ich bin’s, Lev. Habe ein schlimmes Problem. Ich versuche dein Handy.«
Aber Christy meldete sich auch nicht auf dem Handy. Lev malte sich aus, dass er wohl noch schlief oder vielleicht schon bei einem seiner seltenen Arbeitseinsätze war. Er hinterließ eine weitere Nachricht.
»Kein Glück?«, sagte der Wachtmeister.
»Er wird zurückrufen.«
»Was? In fünf Stunden vielleicht? Okay. Wenn Sie sie hier verbringen wollen. Ich weiß ja nicht, wann Sie auf Ihrer Arbeit sein müssen, aber ich an Ihrer Stelle würde eine andere Nummer probieren.«
Mittlerweile schwitzte Lev in der tropischen Hitze des Raums. Er wischte sich die Stirn. Für ein, zwei Momente tauchte die Versuchung auf − und der Atem stockte ihm dabei −, Sophie anzurufen. Aber weil er ahnte, dass sie sich wahrscheinlichweigern würde, ihm zu helfen, ließ er es sein. Sophie war sowieso mit Howie Preece zusammen. Da war er sich ganz sicher. Der ganze Peccadilloes -Abend hatte darauf
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