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Der weite Weg nach Hause

Der weite Weg nach Hause

Titel: Der weite Weg nach Hause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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Stimmen so sorgenvoll, so zärtlich ...
    »Jimmy, Sonny ... Ich weiß nicht. Ich bin sehr betrunken ...«
    »Pscht, Rev. Kein Wehtun. Wir sorgen dich.«
    »An deinem Geburtstag. Dann schrafen.«
    Er wachte in seinem eigenen Bett auf, ordentlich unter Laken und Decke, der Morgen ein limonenfarbener Dunst vorm gekippten Fenster.
    Der Kopf tat ihm weh, aber innerlich fühlte er sich ruhig und friedlich. Er schaute hinüber zum Vorhang der Mings, der, genau wie immer, vor ihren Teil des Wohnwagens gezogen war. Er konnte ihr leises Schnarchen hören, regelmäßig, sorgenfrei.
    Er zog sich leise an, nahm sein Mobiltelefon und ging nach draußen. Blickte über das Erdbeerfeld und sah, dass die Triebe plötzlich Blätter angesetzt hatten. Dachte: Die Dinge geschehen unbemerkt; sie sind schneller als Vorhersagen. Bedauern ist nicht immer angebracht.
    Er ging zum Duschraum und stand lange unter dem warmen Wasser, trocknete sich ab, zog sich wieder an und setzte sich unweit der Wäscheleine in die Sonne. Er bemerkte winzige Veilchen, die sich durch frisches Gras arbeiteten.
    Er wusste, dass es zu früh war, um Christy anzurufen, aber er musste herausfinden, was mit dem Zimmer in der Belisha Road war. Er wählte die Festnetznummer und bekam nur den Anrufbeantworter, dann versuchte er es mit Christys Handy und hörte die vertraute Stimme, noch heiser vom Schlaf.
    »Christy Slane.«
    »Christy, ich bin’s, Lev. Entschuldigung, dass ich so früh anrufe.«
    »Das ist okay, Kumpel. Wart einen Moment ...«
    Er hörte Christy mit jemandem reden, dann wurde eine Tür geschlossen.
    »Christy«, sagte Lev, »habe eine Frage an dich. Hast du mein Zimmer vermietet?«
    »Nein. Der Makler hat noch niemand gefunden. Meinte, ich soll das Etagenbett ersetzen. Die Leute würden nicht gern so übereinandergestapelt schlafen, wie in einer Gefängniszelle. Aber das war doch Frankies Bett. Ich bringe es nicht fertig, es rauszuwerfen.«
    »Klar ist es Frankies Bett.«
    »Du verstehst, wieso ich zögere. Hoffe immer noch, sie darf mal eine Nacht hier schlafen.«
    »Ich verstehe es. Aber hör zu, Christy, ich muss nach London zurück. Darf ich das Zimmer haben? Okay?«
    »Klar. Prächtig. Freu mich, dich zu sehen. Wie geht es dir denn?«
    »Okay. Ich erkläre dir, wenn ich nach Hause komme.«
    »›Nach Hause‹. Wie nett, dass du das Wort für die Belisha Road benutzt. Ich hätte dich noch mehr vermisst, nur bin ich nicht mehr so oft dort.«
    »Du arbeitest?«
    »Ja. Hab mir ein paar schicke Karten drucken lassen. Christy Slane, Klempner: Löse all Ihre Probleme. Rechnen Sie mit fairem Stundenlohn . Wie findest du das?«
    »Gut. Freut mich.«
    »Hab nämlich meine alte Energie wieder. Wahrscheinlich, weil ich nicht trinke. Jasmina mag es nicht, wenn ich Alkohol trinke.«
    »Jasmina? Bist du in Palmers Green, Christy?«
    »Stimmt. Bin doch ein Glückspilz, oder? Mein Ekzem ist auch gleich besser geworden. Ich stelle dich vor, wenn du wieder hier bist. Also, was denkst du, wann du kommst?«
    »Vielleicht heute Abend?
    »Heute Abend? Na ja, die Wohnung wird ein bisschen verstaubt sein. War eine Weile nicht mehr da. Kann sein, dass die paar Apfelsinen in der alten Glasschale langsam grau werden. Aber das macht dir doch nichts, oder?«
    »Nein.«
    »Nur noch eins: Angela war da und hat das Puppenhaus mitgenommen. Ich sagte: ›Oh, wirst du jetzt darin wohnen, Angie? Hat Tony Myerson-Hill dich vor die Tür gesetzt?‹ Aber sie fand das nicht lustig.«
    Lev machte sich auf den Weg zu Midges Haus. Er wusste, dass einsame Menschen früh aufwachen. Der Hund kam ihm entgegengelaufen, und er streichelte seinen Nacken. Die Hintertür stand halb offen. Lev konnte sehen, wie Midge Midgham in seiner Küche zwischen Tisch und Herd hin und her schlurfte.
    »Möchtest du etwas Haferbrei?«, sagte er.
    Sie setzten sich und aßen. Whisky wartete in seinem alten ramponierten Weidenkorb ungeduldig auf den Start in den Tag.
    »Also?«, sagte Midge. »Willst mir sagen, du ziehst weiter?«
    »Du weißt?«
    »Muss das wohl in deinem Gesicht gesehen haben.«
    Lev schaute Midge an. Dickbauch. Lev dachte: Er sieht so blöd aus wie ein Sandkuchen, aber ganz unten im Kuchen ist eine unerwartete Zutat versteckt.
    »Wenn du möchtest, dass ich eine Woche bleibe, werde ich es«, sagte Lev.
    »Du gehst, wann du willst. Ich weiß, dass die verdammte Dammgeschichte dich nervös macht. Mensch! Du musst dich um Sachen kümmern, das merke ich doch.«
    Der Haferbrei tat gut und war lecker.

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