Der weite Weg nach Hause
verdammten Tag. Du musst delegieren.«
»Ich weiß.«
»Also musst du das in deine Kalkulation mit einbeziehen: was du anderen für ihre Lieferungen bezahlst und was all der Kram kostet, den du rein physisch nicht selber machen kannst. Niemand wird umsonst für dich arbeiten wollen.«
»Ich weiß, Chef.«
»Was ist mit Grundnahrungsmitteln? Sind die immer noch Mangelware? Mehl, Reis, Butter, Öl, Zucker?«
»Nein. Die kann man kriegen. Baryner Markt.«
»Regelmäßig? Keine Lieferengpässe? Denk dran, ein Restaurant muss das ganze Jahr über laufen, Tag für Tag, sonst bleiben die Gäste weg.«
»Ja.«
»Gut, und jetzt zu Nummer vier: Erscheinungsbild . Ist es eine moderne Brasserie? Oder ein muffiges Bistro? Ist es ein nostalgischer alter russischer Teesalon? Was will das Lokal sein? In welchem Stadtteil wird es stehen? Wessen Stammlokal soll es werden? Das Erscheinungsbild muss mit dem Stil zusammenpassen. Und all das musst du wissen, bevor du anfängst. Was uns zu Nummer fünf bringt, die eigentlich die Nummer eins sein sollte: Startkapital . Wie zum Teufel wirst du das finanzieren?«
»Chef, das ist der Grund, wieso ich gekommen bin ...«
GKs Miene gefror. Er warf den Kuli hin. »Du bist gekommen, um mich um Geld zu bitten?«
»Nein. Natürlich nicht«, sagte Lev. »Nur, um zu fragen, könnten Sie für mich alles auflisten? Alles, was ich hineintun muss, bevor ich anfangen kann. Ich meine alle Ausstattung. Dann kann ich meine Rechnungen beginnen.«
GK fuhr sich mit der Hand durch sein strubbeliges Haar. Er starrte Lev beinah entsetzt an, blickte dann wieder auf den Zettel, nahm den Kuli und steckte ihn in den Mund. »Ja. Okay«, sagte er nach einer Weile. »Das kann ich für dich machen. Fünfzig Plätze, hast du gesagt?«
»Ja.«
»Also zwei in der Küche? Du und eine Küchenhilfe. Alle Vorbereitungen gemeinsam?«
»Ja.«
»Zwei für die Tische. Eine Schwester. Alles?«
»Alles. Und das Auto oder Lieferwagen. Gebraucht.«
»Da muss ich drüber nachdenken. Ich mache dir eine Aufstellung. Die Hälfte von dem matériel , das ich hier angeschafft habe, wirst du gar nicht brauchen. Hast du schon einen Namen für das Lokal?«
»Ja«, sagte Lev. »Ich will es Marina nennen, nach meiner Frau.«
GK lächelte. Er legte den Kuli noch einmal hin. »Gut«, sagte er. »Wenigstens das ist geklärt.«
Er stand auf und ging zur Bar. Er nahm eine Flasche Kognak aus dem Regal, goss zwei Gläser ein und kehrte zum Tisch zurück. »Auf Marina «, sagte er, und sie tranken. Levs Herz schlug so schnell, dass er den Brandy herunterschüttete, um seinen inneren Aufruhr zu dämpfen.
Und dann saßen er und GK Ashe immer noch da. Lev rauchte, und sie redeten über die Zukunft, darüber, wie wichtig es für jeden Menschen war, wenigstens eine große Idee im Leben zu haben, etwas, an das man glauben konnte. Nach einer Weile kamen sie auf GKs Vater zu sprechen, der gewollt hatte, dass sein Sohn Rechtsanwalt wurde, alle Köche für durchgeknallt, schwuloder arm hielt, nicht begreifen konnte, wie GK daraus einen Beruf machen wollte, und sich nicht interessiert gezeigt hatte, als er es schließlich tat.
»Kommt er niemals hierher zum Essen, Chef?«
»Nein. Nie. Er ist zur Eröffnung gekommen, das war alles. Blieb vielleicht eine halbe Stunde. Wenn ich Chefkoch im Dorchester oder etwas Ähnlichem wäre, würde er vielleicht kommen, aber selbst da bin ich nicht so sicher. Also lebe ich damit. Ich muss. Manchmal muss man einfach sagen: ›Scheiß auf die Eltern‹, und sich nichts draus machen.«
»Ich kenne das, Chef«, sagte Lev. »Ich kenne das sehr gut.«
Die Zeit verging, und Lev hörte, wie nebenan Menschen die Küche betraten und das Angestelltenessen zubereiteten. Er wusste, dass er gehen sollte, bevor Sophie kam, aber jetzt schien GK noch weiterreden zu wollen. Er beschrieb seine Mutter, »eine wirklich wunderbare Frau«, die bei einem Autounfall auf der M4 umgekommen war, und seine Stiefmutter, die sie ersetzt hatte, und was ihn diese Erfahrung gelehrt hatte, nämlich, dass das Leben »eine elende Verhöhnung unserer Träume« sei. GK schenkte nach. Der Kognak veränderte seine Stimme, seine blauen Augen blickten weicher. Lev hatte den Eindruck, dass GK plötzlich von einem Arbeitgeber zu einem Freund geworden war. Diese Freundschaft hatte etwas Strahlendes, und die Versuchung war groß, sich darin zu sonnen.
Dann fuhr eine vertraute Stimme dazwischen. »Was ist hier los, Chef?«
Sophie stand neben der Bar und
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