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Der weite Weg nach Hause

Der weite Weg nach Hause

Titel: Der weite Weg nach Hause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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netter Mensch zu sein. Ich hoffe, England behandelt Sie anständig. Aber mischen Sie sich nicht in Dinge, von denen Sie nichts verstehen, kapiert? Ich werde Christy Slane nicht erlauben, mein Leben zu ruinieren oder das meiner Tochter, und mehr habe ich nicht zu sagen. Das war’s. Finito . Würden Sie mir jetzt also einfach eine Tragetasche holen, dann bin ich auch schon weg.«
    Lev reichte ihr den Ladenbesitzer, und sie warf ihn in die Tür des Kaufladens.
    »Ich habe keine Tragetasche«, sagte er.
    »Ach, egal!«, sagte Angela. Sie marschierte in den Flur, riss ihren roten Mantel vom Haken und verließ, den Kaufladen ungeschickt unter den Arm geklemmt, die Wohnung. Ihre schweren Schritte polterten die Treppe hinunter.Lev erklärte Sophie, er müsse eine Weile in der Belisha Road bleiben, um Christy Gesellschaft zu leisten und ihn möglichst von Kneipenbesuchen abzuhalten.
    »Du arbeitest doch die halbe Nacht«, sagte sie. »Was macht das denn für einen Unterschied?«
    »Vielleicht ein bisschen. Wenn er weiß, ich komme wieder. Wenn wir Frühstück machen am Morgen ...«
    »Du bist naiv, Lev. Wenn jemand sich um den Verstand trinken will ...«
    »Ich weiß«, sagte Lev. »Aber ich kann das versuchen. Christy ist mir guter Freund gewesen.«
    Sie waren im GK Ashe, am Ende eines langen, arbeitsreichen Abends. Sophie drehte sich weg und sagte: »Okay. Gut. Du bleibst in der Belisha Road. Ich habe sowieso ein paar Sachen zu erledigen.«
    »Was für ›Sachen‹?«
    »Dieselben Sachen wie du: muss mich um meine Freunde kümmern.«
    »Aber ein paar Nächte könntest du dorthin kommen. In mein Zimmer ...«
    »Was? Vögeln im Kinderbett? Das kann ich nicht, Lev. Das ist einfach zu abartig.«
    Am anderen Ende der Küche plagte Vitas sich an seinen Becken und Abtropfflächen. An diesem Abend hatte GK zu ihm gesagt: »Du hängst am seidenen Faden, Vitas. Heute habe ich Reste von Ziegenkäse an meinem Grill gefunden; ich habe einen Blutfleck auf dem Boden entdeckt.«
    »Nicht Blut, Chef.«
    »Und widersprich mir nicht. Tu das niemals. Du hast noch bis Ende der Woche Zeit, die Chose auf die Reihe zu kriegen, oder du bist draußen. Dann kannst du Scheißrosenkohl in Lincolnshire pflücken.«
    Später, als GK und Sophie gegangen waren, sagte Vitas zu Lev: »Was ist Lincolnshire?«
    »Ach«, sagte Lev, »das ist irgendwo auf dem Land.«
    »Dann wäre ich lieber da als hier«, sagte Vitas. »Ich vermisse Bäume.«
    Die Sache mit dem Staudamm war Schwemmsand, der sich an Levs Herz ablagerte. In seinen Träumen hatte er die Schule in Auror wie ein Holzboot auf dem Wasser treiben und dann langsam sinken sehen, und einen Augenblick lang hatte er dieses Bild der allmählich verschwindenden Schule eigentümlich schön gefunden − bis ihm klar wurde, dass alle Kinder, auch Maya, noch darin waren. Er hörte sie weit weg auf dem Wasser schreien.
    Er erzählte Christy von dem Damm. Christy sagte, er brauche erst einmal eine Kippe und einen Tee, ehe er in der Lage sei, darüber nachzudenken. Mit der Zigarette und dem starken Tee in der Hand sagte er dann: »Staatliche Bauprojekte, Lev. Soll ich dir was sagen? Schon bei dem Begriff krieg ich den Horror. Weil man nicht erwarten kann, dass von denen jemals was Gutes kommt. Es soll menschenfreundlich klingen, aber für mich bedeutet es irgendein Konsortium von Fremden, die ein Ding, das man liebt, durch ein Ding ersetzen, das man nicht braucht.«
    Christys Hand zitterte jetzt, als er den Tee trank, aber insgesamt hielt er sich ganz gut. Was ihn hielt, war offenbar ein tausendteiliges Puzzle von van Goghs Sonnenblumen . Er hatte es auf dem ganzen Tisch ausgebreitet und saß manchmal Stunden am Stück daran, trank Tee und rauchte. Zum Abschluss des Gesprächs über den Staudamm in Auror sagte er: »Das Ding, das wir nicht verlieren dürfen, ist unser Verstand. Wir dürfen nicht wie dieser Vincent-Typ enden.«
    Aus Angst vor schlechten Nachrichten rief Lev erst einmal nicht in Auror an. Eines Sonntagmorgens mochte er den Anruf aber nicht länger aufschieben und wählte die vertraute Nummer.
    »Tschewi ist repariert!«, verkündete Rudi triumphierend. »Jetzt liebe ich die Deutschen plötzlich. Ich küsse ihnen den Hintern. Sie machen Treibriemen, die passen.«
    »Schleicht er nicht mehr?«
    »Nein. Es ist, als wäre er in der Hundeschule gewesen und völlig verwandelt zurückgekommen. Jetzt muss ich nur noch die Dellen in den Kotflügeln ausbeulen und den Chrom polieren. Dann ist er so gut wie

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