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Der weite Weg nach Hause

Der weite Weg nach Hause

Titel: Der weite Weg nach Hause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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goss sich das Bier ein, »nachdem sie mich so verletzt hat, ruft sie jetzt einfach an und sagt okay, sie bringt Frankie Sonntagmorgen vorbei, und wir können zum Meer fahren, wenn wir wollen.«
    Lev und Christy tranken das Guinness. Christy stützte das Kinn auf die Handballen. »Ich glaube, sie war nur einverstanden«, sagte er leise, »weil Myerson-Hill etwas mit ihr unternehmen will und sie nicht möchte, dass Frankie ihnen den herrlich romantischen Tag verdirbt. Bestimmt fahren sie mit dem Boot nach scheiß Hampton Court oder so. Aber das macht mir nichtsaus. Solange wir einen wunderschönen Tag haben, ist es mir egal.«
    Lev lächelte. Er merkte, wie seine schlechte Laune allmählich verschwand. Er stellte sich zankende Möwen über einem Kai vor und den Geruch nach Algen und salzigen Wind. »Keine Sorge«, sagte er. »Wir werden einen wunderschönen Tag haben!«
    Im Zug nach Silverstrand schlug Sophie eine Runde »Ich sehe was, was du nicht siehst« vor.
    »Möchtest du das denn auch spielen, meine Süße?«, fragte Christy seine Tochter zärtlich. »Ich bin mir nämlich nicht sicher, ob du schon so gut buchstabieren kannst.«
    Frankie antwortete nicht, sondern stieß Christy nur gegen seinen dünnen Arm und versuchte, weiter von ihm wegzurutschen.
    »Ich wette, sie buchstabiert ganz toll«, sagte Sophie. »Also: Ich sehe was, was du nicht siehst, das mit ... F anfängt.«
    »Was ist ›ef‹?«, sagte Frankie.
    »Du musst es anders aussprechen, Sophie«, sagte Christy. »So kennt sie das Alphabet. F ist ›f‹.«
    »Ach so«, sagte Sophie. »Da siehst du, dass ich ein ganz armer Mensch bin, dem noch nie ein Kind anvertraut wurde. Okay, Frankie. Etwas, das mit ›f‹ anfängt.«
    Während Sophie das sagte, sah sie Lev an und kicherte. Er dachte: Sie ist wie ein exotisches Gericht, das ich noch nicht kochen kann, nach dem es mich aber in meinen Träumen verlangt. Er wandte den Blick ab und schaute zu Frankie, die ängstlich auf die Felder von Essex starrte. Sie hatte eine kleine, knochige Nase, die sie jetzt gegen die Scheibe presste.
    »Ich geb auf«, sagte sie.
    »Nein. Quatsch. Gib nicht auf«, sagte Sophie. »Etwas, das mit ›f‹ anfängt.«
    Frankie trug rosa Jeans mit einem rosa Oberteil und einerkleinen flauschigen Thermoweste. Auf dem Schoß hatte sie einen passenden rosa Rucksack, den sie nicht aus der Hand hatte geben wollen, als sie in den Zug stiegen, und jetzt fest an sich drückte.
    »Komm, Frankie«, sagte Sophie. »Etwas, das mit ›f‹ anfängt.«
    »Baum?«, sagte Frankie.
    »Nein. Das beginnt mit einem B.«
    »Nicht ›be‹ − ›b‹!«, korrigierte Christy.
    »Okay, ›b‹. Da merkst du, wie blöd ich mich anstelle. Wessen Name hier fängt denn mit ›f‹ an?«
    »Ich geb auf«, sagte Frankie.
    »Nein, nein«, sagte Christy. »Überleg doch mal.«
    Frankie stieß wieder gegen Christys Arm. Draußen vor dem Fenster sah Lev umgepflügte Äcker, zart begrünt durch die aufgehende Saat, und Schwärme dunkler Vögel, die über den Hecken kreisten. Starkes Sonnenlicht ließ die blassen Waldränder aufleuchten und glitzerte auf dem Schilf und dem Reed auf den überfluteten Feuchtwiesen.
    »Du siehst nicht in die richtige Richtung«, sagte Sophie zu Frankie.
    Also drehte Frankie sich vom Fenster weg und schaute die Menschen in ihrer Nähe an. Ihr Blick glitt an Christy vorbei zu zwei jungen Frauen, die Bier tranken und mit ihren Handys telefonierten. Lev sah, wie sie erst auf ihre Chips mampfenden Münder starrte und anschließend auf ihre glänzenden Handys, die in der Sonne funkelten, wenn sie unruhig die Köpfe bewegten.
    Dann sah sie noch einmal kurz aus dem Fenster und sagte triumphierend: »Vogel.«
    Sophie lächelte. »Schön«, sagte sie. »Ziemlich gut geraten, Mädchen. Aber das Wort ›Vogel‹ fängt etwas komisch an ...«
    »Und es ist kein Name, Frankie«, sagte Christy. »Sophie hat doch gesagt, das Wort ist der Name von jemand.«
    Frankie weigerte sich immer noch, ihn anzusehen.
    »Ich geb auf«, sagte sie wieder.
    »Nein«, sagte Christy sauer. »Du gibst verdammt noch mal nicht auf.«
    »Mami hat gesagt, du sollst nicht fluchen«, sagte Frankie.
    »Deine Mami hat recht. Das soll ich nicht. Tut mir leid. Aber, meine Güte, bringt deine Mutter dir das heutzutage bei, dass du immer schon aufgeben sollst, bevor du überhaupt angefangen hast?«
    »Nein ...«
    »Okay. Dann überleg mal. Wir sind hier zu viert, und nur der Name von einer Person beginnt mit ›f‹. Wessen ist

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