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Der weite Weg nach Hause

Der weite Weg nach Hause

Titel: Der weite Weg nach Hause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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neu.«
    Die Erleichterung über den Tschewi schien Rudi unzugänglich für andere Arten von Unglück zu machen. Als sie auf das Thema Staudamm kamen, klang er immer noch fröhlich. »Okay«, sagte er. »Lora hat mit jemandem vom Baudezernat gesprochen. War nicht der Scheißtyp Rivas. Irgendein Idiot, der schielte. Kenne seine Stellung nicht. Wahrscheinlich eher niedrig.«
    »Und was hat er gesagt?«
    »Den üblichen Behördenscheiß. Aber ich glaube, es ist okay. Er sagte, ein Staudamm oberhalb von Baryn sei etwa zwei Jahre lang ein ›vorläufiges Projekt‹ gewesen.«
    »Aber niemand hat davon erfahren?«
    »Ein paar Leute wissen, glaube ich, schon davon. Aber Schielauge hat zu Lora gesagt, es gibt keine Pläne, es zu aktualisieren . ›Aktualisieren‹, wie bitte? Das ist doch ein typisches Rivas-Wort!«
    »Momentan keine Pläne oder überhaupt keine Pläne?«
    »Du kennst doch das Baudezernat, Kumpel. Die denken nicht in Begriffen wie ›überhaupt nicht‹ oder ›nie‹. Alles bei denen ist vorläufig . Es gibt da wahrscheinlich diesen Trupp göttlicher Ingenieure, die herumziehen und Dämme und Wasserkraftwerke und Stauseen für jeden Scheißfluss des Landes konzipieren, und dann schnurren sie wohlig über ihren Entwürfen und malen sich aus, was für einen Wohlstand diese Projekte bringen werden und was für Vergünstigungen das für sie bedeutet − und dann passiert gar nichts, weil es kein Geld von derZentralregierung gibt. So sieht es aus. Ich glaube, Auror ist ziemlich sicher.«
    Lev hätte das gern geglaubt, doch er spürte, dass etwas daran nicht stimmte, und das machte ihn wahnsinnig. Er war sicher, dass Marina, wenn sie noch leben würde, die Wahrheit herausgefunden hätte. Aber jetzt ging es ihnen wie allen anderen auch − sie waren isoliert wegen ihrer abgeschiedenen Lage und der Bürokratie ausgeliefert, für die die Lüge immer noch das bevorzugte Kommunikationsmittel war.
    »Du musst die Ohren aufhalten, Rudi«, sagte Lev nach einer Weile. »Achte auf Landvermesser. Wenn ein Landvermessertrupp aufkreuzt, ist das das erste Anzeichen.«
    »Nicht unbedingt. Du weißt doch, wie diese verschlafenen Ministerien sind. Die schicken ein paar Leute mit Klemmbrettern los. Die latschen hierhin und dahin. Machen ein wichtiges Gesicht, damit alle Panik kriegen, aber dann messen sie doch nur die Länge ihrer eigenen Schwänze!«
    Rudi lachte sein übliches explosives, ansteckendes Lachen, aber diesmal fiel Lev nicht mit ein.
    »Okay«, sagte er, »aber wenn Gerüchte von einem Damm in Baryn schon bis zu den Dörfern in der Nähe von Jor gelangt sind, dann weiß irgendjemand, dass es passieren wird. Sie wissen es.«
    Rudis Lachen erstarb, und Lev hörte ihn husten.
    »Tja«, sagte er, »aber was sollen wir machen? Sag es mir. ›Keine Pläne, es zu aktualisieren‹ meint doch, was es sagt, oder? Außer Schielauge hat Scheiße erzählt.«
    »Es gab doch auch ›keine Pläne‹, die Schließung des Holzhofs ›zu aktualisieren‹.«
    »Das ist was anderes. Denen sind die Scheißbäume ausgegangen!«
    »Genauso wie ihnen immer der Strom ›ausgeht‹. Aber bau ein Wasserkraftwerk oberhalb von Baryn, und du hast, für die Zukunft, ununterbrochen erneuerbaren Strom für die ganze Region.«
    »Außer, dass die halbe Region abgesoffen sein wird.«
    »Ganz genau.«
    Lev hörte Rudi seufzen. »Ich werde die Ohren spitzen, Lev, das verspreche ich. Hoffentlich geht Rivas’ Dienstwagen kaputt, damit er ein Taxi mieten muss − dann ist er auf mich angewiesen. Aber genug davon. Es macht mich fertig, wenn ich daran denke, was die Welt uns alles antun könnte. Erzähl mir was von l ’amour , Lev. Benimmst du dich wie ein Halbstarker? Gibst du dein ganzes hart erarbeitetes Geld für rote Rosen aus?«
    Als Lev eines Freitagnachts in die Belisha Road zurückkam, war Christy noch wach und saß vor zwei ungeöffneten Dosen Guinness.
    »Jubel«, sagte er, sobald Lev hereinkam, »Angela hat ihre Meinung geändert. Wir können Sonntag mit Frankie nach Silverstrand fahren.«
    Lev zog seinen Anorak aus und setzte sich. Seit er Sophie auf der Straße geküsst und ihr beim Wegradeln hinterhergesehen hatte, war er frustriert und sauer. Fast war ihm danach zumute gewesen, sie einfach gegen eine Wand zu stoßen und sie mitten auf der Straße zu ficken, wie der verzweifelte Halbstarke, für den Rudi ihn hielt. Im Stillen warf er Sophie vor, ihr Spielchen mit ihm zu treiben.
    »Nach dem ganzen verdammten Palaver«, fuhr Christy fort und

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