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Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen

Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen

Titel: Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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Paris, hat zwei Kinder, und stellt euch vor, er hat seine Kinder nach uns benannt, Alma und Ben. Ist das nicht toll?«
    »Was es alles für Geschichten gibt!« rief Vivien, und Jonathan sah Alma an und lächelte und verstand.
    Gudrun schickte zum Glück und ehe eine Pause aufkam sofort eine Geschichte von einer amerikanischen Leihmutter hinterher, die für ein Ehepaar ein Kind austrug, und dann wurden es Zwillinge, aber das Ehepaar hatte nur ein Kind bestellt, wollte auch nur eins und nahm nur eins. Das andere kam in ein Waisenhaus. »Ist das nicht entsetzlich?« fragte Gudrun, und plötzlich sagte Christian, der den ganzen Abend über still und in sich gekehrt dagesessen und immer wieder Gabors Hand gehalten hatte: »Gabor hat Aids.«
    Ben legte das Besteck neben den Teller und hörte auf zu essen. Anita schlug die Hände vor den Mund. Vivien rannte raus, als müsse sie sich schon wieder übergeben. Gudrun legte die Hand auf die Brust, schloß die Augen und bemühte sich um eine ruhige Atmung. Leo steckte sich mit zitternden Händen eine Zigarette an. Heinz starrte von einem zum andern und hoffte, irgend jemand würde jetzt etwas sagen, und Alma sagte: »Nein.«
    »Doch«, sagte Christian, »er hat den Test machen lassen. Er ist positiv.«
    Jonathan, der neben Gabor saß, legte ihm den Arm um die Schultern – eine seltene Geste, die vor allem Alma bewegte, denn sie wußte, daß er Berührungen mit anderen Menschen möglichst mied.
    »Gabor«, sagte er, »das kann noch Jahre gutgehen. Jetzt weißt du es, na und, sterben müssen wir alle, du hast vielleicht noch fünfzehn, zwanzig Jahre Zeit, das ist mehr, als ich habe mit meiner Leber. Prost.«
    Und er trank sein Glas leer.
    Christian weinte, und Alma ging zu ihm und wischte ihm mit der Serviette die Tränen ab.
    »Nein«, sagte sie, »jetzt wird nicht geweint, jetzt wird einfach erst mal weitergelebt, und nichts erforschen sie zur Zeit so sehr wie Aids, das kann alles noch gut werden, Gabor.«
    »Wird nix gut«, sagte Gabor kläglich, »muß ich auch aufhören mit Beruf.«
    »Da läßt sich was machen«, rief Heinz, froh, auch etwas zum Trost beisteuern zu können. »Ich finde einen anderen Job für dich, in meiner Firma.«
    Gudrun öffnete wieder die Augen, atmete tief durch und sagte: »Seid mir nicht böse, aber ich muß jetzt gehen. Das ist alles ein bißchen viel auf einmal, ich möchte jetzt allein sein und meditieren.« Leo wollte sich erheben, aber sie winkte ab.
    »Nein«, sagte sie, »niemand geht mit, bitte. Ich brauche das jetzt. Ich melde mich.«
    An der Tür stieß sie mit Vivien zusammen, die fragte: »Gehen wir schon?«
    »Ich gehe«, sagte Gudrun, und Vivien nahm ihren Mantel von der Garderobe und sagte: »Ich gehe mit, mir ist den ganzen Abend schon so entsetzlich schlecht, entschuldigt bitte«, und dann waren die beiden verschwunden.
    »Dumme Gans«, sagte Heinz, als die Tür ins Schloß fiel, und dann, zu Leo gewandt: »Ich meine Vivien, nicht Gudrun.« »Beides dumme Gänse«, sagte Leo und fragte Christian:
    »Wenn er es hat, kriegst du es dann auch?«
    »Nein«, seufzte Christian, »man kann ja aufpassen. Ich hab es nicht, und ich werd es auch nicht kriegen.«
    »Gabor, sag was«, forderte Ben ihn auf, und Gabor zuckte mit seinen schmalen Schultern. »Was soll ich sagen«, antwortete er leise, »habt ihr ja auch geredet über Alter und Tod. Manchmal kommt Tod eben, wenn noch nicht alt.«
    »Der kommt nicht«, sagte Leo überzeugt, »da gibt es Medikamente, gesunde Ernährung, du weißt jetzt Bescheid, du kannst danach leben. Das ist keine Tragödie.«
    »Für mich schon«, schluchzte Christian, und Alma dachte zum ersten Mal kurz darüber nach, daß Christian Gabor offenbar wirklich liebte. Das hatte sie nicht für möglich gehalten. Sie sagte, ohne recht daran zu glauben: »Ach was, das stehen wir alle zusammen durch, du wirst sehen. Ihr werdet sehen.« Und sie setzte sich wieder auf ihren Platz.
    Heinz machte eine Flasche Wein auf. »Das«, sagte er, »ist einer von den besten, der ist jetzt gerade recht. Im Barrique gereift. Müßte ich eigentlich erst mal dekantieren, aber Scheiß drauf. Besondere Situationen erfordern besondere Weine.«
    Er goß sich ein, kostete, schloß die Augen und sagte: »Hm. Weich am Gaumen, und eine Kraft, die besonders im Finale erkennbar ist.«
    Er füllte die Gläser, Gabor wollte abwinken. »Nix zuviel Alkohol«, sagte er, aber Heinz bestand darauf: »Das ist kein Alkohol, das ist Medizin für dich.«
    Sie

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