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Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen

Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen

Titel: Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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panierte Zucchini«, flüsterte Klara ihnen zu und verließ schleunigst wieder das gespenstische Astra-Studio.
    Auf dem Gang traf sie Manfred Weber, sein Name fiel ihr sofort ein. Er war Redakteur gewesen zu der Zeit, als sie ein Morgenmagazin moderiert hatte, und einmal, als sie zwischen den Beiträgen und während eine Musik lief, geweint hatte, war er zufällig mit einer Meldung ins Studio gekommen. »Was ist los?« hatte er erschrocken gefragt, und sie hatte sich die Nase geputzt und unter Tränen geantwortet: »Mein Hund ist gestorben.«
    »Und da heulst du?« hatte er stirnrunzelnd gesagt, »bloß wegen einem blöden Köter? Versau mir damit ja nicht die Sendung.«
    Sie war damals mitten in der Livesendung aufgestanden, nach Hause gegangen, und er hatte die Sendung in Panik und Hektik zu Ende moderieren müssen. Es hatte eine Redaktionskonferenz zu dem Vorfall gegeben. Klara war sozusagen abgemahnt worden und hatte sich danach geweigert, je wieder mit Manfred Weber zu reden oder gar zu arbeiten.
    »Klara!« sagte er, »dich habe ich aber Jahre nicht mehr gesehen!« Sie genoß es, an ihm vorbeizurauschen, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Mit Genugtuung sah sie ihn an diesem Provinzsender alt werden, wo doch sein Ehrgeiz immer gewesen war, als Pressesprecher nach Bonn zu kommen. Er dachte, es reichte, wenn man Wehner, Brandt und Strauß nachmachen konnte. »Aber es reicht eben nicht«, dachte Klara grimmig, »bei dir reicht es für gar nichts. Du konntest meinem Hund in puncto Intelligenz nicht mal das Wasser reichen.«
    Manfred Weber starrte hinter ihr her und fühlte eine Art neidischer Bewunderung dafür, daß sie ihren Haß auf ihn tatsächlich über mehr als zehn Jahre hatte konservieren können. So konsequent war er nicht, so konsequent wäre er gern gewesen.
    In der Kulturecke war inzwischen schon die zweite Flasche Chardonnay geöffnet worden, und der Literaturredakteur erzählte von Irland, wo die Menschen viel urwüchsiger seien als hierzulande, und der Dichter rief: »Aber lieber Freund! Das kann man so gewiß nicht sagen!«
    »Warst du denn je in Irland?« fragte der Literaturredakteur, und der Dichter winkte ab: »Da muß ich gar nicht hinfahren! Das kann ich mir auch so vorstellen! Man muß nur die letzten fünfzig Seiten Ulysses lesen, nur die letzten fünfzig Seiten! Dann weiß man doch alles.«
    Die Kulturredakteurin, schon etwas verwüstet durch Alkohol und Hitze, flüsterte: »Fangt doch jetzt einfach mal an.«
    »Womit?« fragte der Dichter, und sie sagte: »Mit der Diskussion.«
    Es waren Zuschauer im Raum, die aber ausnahmslos bei der Operation mit der Fernsonde am offenen Kopf zusahen. Es galt nun, diese Zuschauer auf die Seite der Literatur zu ziehen.
    »Fang du an«, sagte der Literaturredakteur zu Klara Zander, »dich kennen sie vielleicht noch von früher.« Klara setzte sich in ihrem Sessel gerade hin, nahm ein Mikrofon und rief munter: »Sind denn hier eigentlich Menschen, die noch lesen?«
    »Großer Gott«, stöhnte Albrecht Donner und sank tief in seinen Sessel. Ein paar Zuschauer drehten sich von der Operation weg und der Kulturecke zu, eine Frau zischte: »Pssst!« und nur ein Rentnerehepaar, das gerade in die Halle kam, blieb interessiert stehen. »Sie lesen gewiß!« rief Gauselmann und zeigte froh auf diese beiden. Die sahen sich um, bis sie begriffen, daß sie gemeint waren, dann kamen sie etwas näher. »Lesen Sie?« fragte Gauselmann sie durch sein Mikrofon, obwohl sie nun unmittelbar vor ihm standen. »Er hat den Star«, sagte die Frau, »aber ich les ihm die Zeitung vor.«
    »Das hat doch alles keinen Sinn!« rief Donner entnervt und leerte sein Glas Chardonnay in einem Zug. »Das hat wohl Sinn«, meinte die alte Frau trotzig, und er rief: »Aber ich meine doch nicht Sie, gute Frau!«
    Wieder sahen sich die beiden Alten hilflos um, wer denn sonst gemeint sein könnte, aber hinter ihnen stand nur die Kulturredakteurin, wedelte mit den Armen und rief: »Weitermachen! Einfach weitermachen! Dann kommt schon eine Diskussion!«
    Die Operation mit der Fernsonde am offenen Kopf war beendet, in der entsprechenden Ecke wurde stark applaudiert, und die Menge drehte sich um zur Kulturecke, schon deshalb, weil direkt daneben der Ausgang aus dem Studio war. Die irische Band auf dem Lastwagen fing auf ein Zeichen des Musikredakteurs an zu fiedeln, und die Kulturredakteurin lief hin und rief: »Jetzt nicht! Jetzt ist erst Diskussion!« Aber sie fiedelten weiter, und entnervt kam sie

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