Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen
antwortete: »Walter.«
»Das ist Walter«, rief sie, »meine Damen und Herren, nun aber mal einen Applaus für Walter.« Wieder klatschte die Menge, man schob die Kinder nach vorn, eine Dame fragte flüsternd: »Wer ist das?« »Ein Held«, sagte Albrecht Donner. »Und daneben? Die Frau? Die kenn ich doch aus dem Fernsehen.« »Sigi Harreis«, sagte Klara Zander, obwohl es nicht Sigi Harreis war, aber die Frau war zufrieden. Klara erinnerte sich daran, wie diese Lokalansagerin auch im Hörfunk die Nachrichten gesprochen hatte und sich immer, ehe das Mikrofon aufgezogen wurde, schnell noch einmal gepudert und ihr Gesicht im Spiegel überprüft hatte. Nie gab sie die Hoffnung auf, man könne sie auch im Radio sehen. Donner hatte mit eben dieser Nachrichtensprecherin damals eine heftige Affäre gehabt, die seine erste Ehe ruinierte. Jetzt sah er ihr teilnahmslos zu, wie sie Walter zu seiner ersten Sendung verhalf.
»Aufgeregt? Das müssen Sie nicht sein, Walter«, tröstete sie.
»I hoiß net Walter«, sagte Walter und landete damit einen Verblüffungscoup. »Ich dachte...« stotterte die Nachrichtensprecherin, und er sagte: »I hoiß Hans-Herbert Walter. Walter hinten.«
»Also Herr Walter!« strahlte sie und gewann ihre Fassung zurück. Schon etwas mißmutig geworden, applaudierte das Publikum trotzdem noch einmal, nun für Herrn Walter. Dann wurde ihm ein Zettel gereicht, und die Nachrichtensprecherin sagte: »So, Herr Walter. Es ist ganz leicht. Sie lesen jetzt einfach mal das vor, was hier auf dem Zettel steht, und dabei schauen Sie immer mal in diese Kamera dort, wo das rote Lämpchen leuchtet...« – der Kameramann fuchtelte mit den Händen –, »und lächeln vielleicht ein bißchen. So. Können wir?«
Der Kameramann nickte, Herr Walter starrte auf seinen Zettel, und die Ansagerin sagte mit einem festgefrorenen Lächeln zu den aus dem Nichts erklingenden Erkennungstönen der Tagesschau: »Guten Abend, meine Damen und Herren, hier ist das deutsche Fernsehen mit der Tagesschau.« Man sah auf riesigen Monitoren die Ansagerin und daneben den unter seiner Puderschicht schwitzenden Herrn Walter. »Die Abendnachrichten«, flötete sie, »wird uns heute Herr Walter vorlesen. Bitte.« Herr Walter sah sie an. »Jetzt?« fragte er. Sie nickte. »Jetzt«, sagte sie streng, und er schaute auf seinen Zettel.
»Washington«, begann er, und das Publikum applaudierte begeistert. Er sah irritiert hoch, schaute zur Ansagerin, der Kameramann zeigte auf sein rotes Licht und wedelte mit den Armen. Herr Walter starrte wieder auf sein Blatt.
»Washington«, fing er erneut an. »Der amerikanische Präsident Bill Clinton hat heute an den ehemaligen polnischen Ministerpräsidenten Lech Walesa...«
»Wau-en-sa, Herr Walter, man spricht es Wau-en-sa«, rief die Nachrichtensprecherin und lachte fröhlich. »Sehen Sie, es ist doch gar nicht so einfach, die Nachrichten zu sprechen!« Die Menge johlte, Donner sagte: »Wird dieser Tag je rumgehen?« und verließ zusammen mit Klara das Studio.
Sie trafen Dr. Gauselmann und Jessica draußen auf dem Gang an der »Koch-Station« wieder, wo sich die Menschen vor einem erhöht stehenden Herd drängten, auf dem eine Pfanne brutzelte. Hier panierten ein sehr dicker Redakteur und eine nicht ganz so dicke ältere Frau, beide in weißen Rüschenschürzen, Zucchini in Öl. Auf einer Schiefertafel stand: »Hier wird jede volle Stunde gekocht.« »Was kochen Sie denn alles so?« fragte eine Zuschauerin, und die ältere Köchin rief: »Zuschini, heute nur Zuschini, aber paniert.« Der Redakteur reichte auf einem Pappteller panierte Zucchini hinunter zu den Zuschauern und rief: »Jedsch koschded mer emol!« Genauso hieß die Kochsendung, die er zusammen mit der Köchin einmal im Monat im Vorabendprogramm präsentierte: »Jedsch koschded mer emol.« Jessica griff zu, pustete, kostete und verdrehte genüßlich die Augen, und Gauselmann murmelte ihr ins Ohr: »Der Doktor Ferber, Republikaner. Großes reaktionäres Arschloch. Und die Olle erst recht. »
»Aber die Zucchini schmecken köstlich«, beharrte Jessica und wollte ihn probieren lassen, doch Gauselmann drehte den Kopf weg und nahm lieber einen Schluck irischen Whisky aus dem silbernen Flachmann, den man ihm im Sender – mit seinem eingravierten Namen – zur Frühpensionierung geschenkt hatte.
»Donner, altes Kriegsschiff!« rief ein ergrauter Kameramann und begrüßte Albrecht Donner sehr herzlich und etwas verlegen auch Klara, die vor Jahren
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