Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen

Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen

Titel: Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
Vom Netzwerk:
heirate sie nicht«, rief Gauselmann, »und wenn sie sich auf den Kopf stellt!«
    Gegen Morgen fuhren alle drei im Aufzug in den dritten Stock, wo ihre Zimmer waren. Donner hatte Klara den Arm um die Schultern gelegt. Gauselmann freute sich darüber, daß Donner souverän die Rechnung an der Bar auf den Sender hatte schreiben lassen. »Völlig korrekt!« sagte er, »wer Geburtstag hat, muß auch einen ausgeben.« Und dann beklagte er sich, daß der Barkeeper sie nicht hatte singen lassen. »Ein Ständchen!« hatten sie versichert, »für die Anstalt!« Aber er hatte das Ständchen bereits nach den Worten »Dem Karl Liebknecht haben wir’s geschworen, der Rosa Luxemburg reichen wir die Hand« abgebrochen. Wegen der Lautstärke, wie er sagte.
    Auf dem Flur im dritten Stock umarmten sie sich lange, küßten sich rechts und links, und Gauselmann lallte: »Und dafür bin ich extra aus Irland gekommen!« Albrecht Donner sah Klara mit alkoholgeröteten Augen an, schwankte ein wenig und flüsterte ihr ins Ohr: »Hoffentlich, liebe Klara, hat dein Herz bald anderswo zu tun.« Er küßte sie und torkelte zu seiner Zimmertür, schloß auf und war verschwunden.
    »Hast du ihn eigentlich geliebt, damals?« fragte Gauselmann, und Klara lächelte glücklich und sagte: »Damals nicht.«
    Am nächsten Morgen trafen sie sich nicht mehr. Gauselmann und Jessica schliefen aus, Donner wurde schon um halb neun von seinem Team abgeholt, um an der Mosel weiterzudrehen, und Klaras Zug fuhr gegen elf. An die Kulturredakteurin schrieb sie noch im Zug einen kleinen Gruß, und daß der Geburtstag des Senders ein schönes Fest gewesen sei.

Karl, Bob Dylan und ich
    Ich saß mit Karl in dieser mexikanischen Bar, die gerade so in Mode war, und wir redeten über die alten Zeiten und darüber, was eigentlich aus uns geworden war. »Jung und schön sterben, das wär’s doch gewesen«, sagte ich zu Karl, »aber nein, wir leben immer noch und saufen zuviel und sehen auch danach aus, guck uns doch bloß mal an.«
    Karl guckte mich an, sagte: »Was willst du? Forever young?« und bestellte sich noch ein mexikanisches Bier. Seit Marlene ihm weggelaufen war, war nicht mehr viel mit ihm anzufangen. Er wurde leicht wütend, war schnell erregbar, oft depressiv, dann wieder übermütig wie ein Schuljunge – seine Launen schlugen dramatisch um. Er hatte Marlene in all den Jahren immer schlecht behandelt. Er hatte sie herumgescheucht und angeschrien und betrogen, aber er hatte nie damit gerechnet, daß sie ihn verlassen würde. Sie waren doch so aufeinander eingespielt – mein Gott, Marlene, hatte er oft gesagt, stell dich doch nicht wegen jedem Scheißdreck so an, das ist eben meine Art, verdammt noch mal.
    Aber eines Tages war Marlene mit einem Kulturredakteur vom WDR nach Martinique geflogen, für drei Wochen. Karl faßte es einfach nicht. Anfangs hatte er noch gedacht, daß ihm die kleine Marlene mal zeigen wollte, was Rache ist, daß sie ihm, dem notorischen Fremdgeher, mal eins auswischen wollte. Er hatte theatralisch die Fäuste in Richtung irgendwohin geballt, wo er Martinique vermutete und hatte gebrüllt: Komm du mir nach Hause!
    Aber Marlene war nicht mehr nach Hause gekommen, nur noch einmal, als er nicht da war. Da hatte sie ihre Sachen abgeholt und war zu dem Kulturredakteur gezogen, in dessen Wohnung.
    Als Karl merkte, daß es ihr ernst war, hatte er den Kulturredakteur im WDR angerufen und gesagt: »Hör mal zu, du miese Ratte, wir treffen uns in zehn Minuten im Spitz, und wehe, du kommst nicht.«
    Der Kulturredakteur war tatsächlich erschienen, und Karl, der vor dem Lokal auf ihn wartete, war schnell auf ihn zugegangen. Karl ist nicht groß, aber sehr kräftig, er war stark vor Zorn, und ohne Vorwarnung prügelte er den Kulturredakteur durch dreieinhalb Straßen. Gleich mit dem ersten Faustschlag hieb er ihm die Brille von der Nase. Der Kulturredakteur bückte sich noch danach, aber Karl trat sofort auf die Gläser.
    »Lassen Sie das«, rief der Kulturredakteur, »ich brauch doch meine Brille!«
    »Du brauchst jetzt gar nichts, du Arschloch!« schrie Karl, »alles, was du brauchst, ist ordentlich was in die Fresse, das brauchst du.«
    Und er hatte ihn schreiend vor sich hergetrieben durch die elegante Pfeilstraße, wo die Verkäuferinnen aus den Boutiquen kamen und interessiert zusahen. Zu gern hätten sie auch einmal den Grund für soviel Leidenschaft abgegeben. Die Passanten bildeten eine Gasse und ließen die beiden durch, schon aus

Weitere Kostenlose Bücher