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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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einmal, es nahm kein gutes Ende.
    – Siehst du, das ist wichtig. Stets warst du Diener, so treu, du hast nicht einmal Zeit zum Heiraten gefunden.
    – Das war nicht der Grund.
    – Kommt es darauf an? Bist du dir sicher, aus welchen Gründen du etwas getan oder nicht getan hast? Wer weiß das schon so genau! Fahre fort.
    – Mein Vater wollte nicht abwarten, bis Vidhaataa mein Schicksal festschreibt. Er wollte an Stoff und Süßigkeiten sparen. Er brachte mich sofort zu Verwandten nach Surat. Er gab ihnen die Goldstücke, die der Diwan ihm am Morgen nach der Geburt aus Mitleid zugesteckt hatte. Weil mein Vater so betreten dreinblickte, dachte er, ihm sei eine Tochter geboren worden. Gegen diese Mitgift, wenn ich das so nennen darf, erklärten sich die Verwandten bereit, für mich zu sorgen. Und der Jyotish bestätigte meinem Vater, das Unglück sei gebannt, wenn ich nur weit genug entfernt lebte.
    – Bist du mit dieser unsäglichen Geschichte endlich fertig? Dustrapazierst meine Geduld noch mehr als diese Hitze. Laß uns eine Pause einlegen. Die Aufgabe wird schwieriger als gedacht. Und um einiges aufwendiger! Einige Tage werden wir benötigen.
    – Einige Tage? So lange?
    – Wir sollten diesen Brief nicht überhastet aufsetzen. Es schadet nicht, wenn Sie mir mehr erzählen als nötig. Überlassen Sie mir die Auswahl. Doch zwei Rupien, fürchte ich, werden nicht ausreichen. Es wird Sie mehr kosten.
     
     
     
    4.
    VERLIEHENE GUNST
     
    Niemand hatte Burton gewarnt, daß in dem hölzernen Haus, das ihm zugewiesen worden ist, seit Monaten keiner mehr gelebt hat – ein unbewohntes Haus wird in Indien von den Jahreszeiten zersetzt. Von außen war die Zerstörung, von den kaputten Fenstern abgesehen, nicht sichtbar. Naukaram und er zogen an der knarzenden Tür und bereuten es sogleich. Es stank nach Affenkot, bestialisch. Burton beschloss, erst hineinzugehen, nachdem Naukaram einige Helfer organisiert und das Haus gereinigt hatte. Derweil stand er vor der Tür und betrachtete den Dschungel; ihm war der Bungalow am äußersten Rand des Cantonment – die Unterkünfte des Regiments, keine drei Meilen ostsüdöstlich der Stadt – zugeteilt worden. Das Ungebändigte reichte bis an sein Grundstück heran. Um so besser, die Lage würde Distanz zu den Kameraden ermöglichen. Naukaram wischte einen Korbstuhl ab und schleppte ihn auf die Veranda, damit Burton sich hinsetzen konnte. Mit Blick auf den kargen Garten, ein nicht gerade großer und nicht gerade üppiger Garten, eingeengt von einer Steinmauer, mit einem Banyan-Baum, immerhin, und vereinzelten Palmen. Zwischen zwei der Palmen könnte er eine Hängematte spannen. Von dem Viertel der Eingeborenen in der Senke konnte er nur sehen, was herausragte: Türme und Minarette. DerRest war Eintopf, ganz und gar unbekömmlich – so hatten es ihm die Alteingesessenen (wie gut dies Wort paßte) in der Regimentsmesse am Vormittag zugesteckt. Unsere Hauptstraße, klärten sie ihn auf, führt direkt in diesen Mischklump hinab. Zum Glück geht es vorher rechts zum Paradeplatz ab, es besteht keine Notwendigkeit, den Hügel hinabzureiten. Diese Anhöhe müssen wir verteidigen, bildlich gesprochen, du verstehst schon. Burton beteiligte sich nicht an dem verschwörerischen Gelächter. Reite möglichst früh aus, komme der Hitze zuvor, das solltest du beherzigen, und schlage die entgegengesetzte Richtung ein, der Dschungel ist weitaus weniger gefährlich als die Stadt. Weitaus weniger gefährlich. Unser Leben spielt sich hier im Cantonment ab. Früh stehen wir auf, früh sind wir mit der Arbeit fertig. Der Palastherr benimmt sich anständig. Hegt keinerlei Ambition, Widerstand zu leisten. Ganz im Gegenteil. Ganz im Gegenteil. Morgens der Appell, dann ein Kontrollritt, schon haben wir uns das Frühstück verdient. Du spielst doch Billard, oder? Bridge wenigstens? Wir werden einen vortrefflichen Spieler aus dir machen! Worauf alle – sie hatten ihn umringt, wohl um den Korpsgeist zu stärken – gelacht hatten, und ihren pikierten Gesichtern sah er an, daß sie von ihm erwartet hatten, sich in ihr Lachen einzureihen. Er hatte sie enttäuscht. Tröstet euch, Kameraden, hätte er ihnen gerne gesagt, es wird nicht das letzte Mal sein.
    Burton hörte, wie die Fenster aufgerissen wurden. Er stand auf und blickte durch das Gitter in sein neues Heim. Es war geräumig genug. Der Boden war nicht mit Brettern verschalt, die Decke nicht getäfelt, die Wände kahl wie der Schädel eines Pilgers. Der

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