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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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Aufblühen meiner ersten Sprache war nicht der einzige Segen dieser Bruderschaft, oh nein, dieser Mann stand dem mächtigsten Mganga des Landes nahe, und er stellte mich ihm vor, und er sprach von ihm in höchsten Tönen, er lobte ihn so sehr, ich erwartete einen alten Mann, dessen Erfahrungen sich auf seinen Augenbrauen silbern kräuseln, einen Mann, der seinen Enkeln schon das Laufen und das Reden beigebracht hat, doch könnt ihr euch meine Überraschung vorstellen, als statt dessen eine hochgewachsene, kein bißchen gebeugte Gestalt das Fell nach hinten zog und ein junges Gesicht mit quellklaren Augen zum Vorschein kam, der Mganga war in meiner Altersklasse, und ich hegte einen flüchtigen Zweifel, ob mein neuer Bruder nicht zuviel versprochen hatte. Ein Zweifel, der gerade einmal die ersten Sätze überstand, die wir austauschten, bevor ich das Alter des Mganga vergaß, sein Aussehen nicht mehr wahrnahm und nur zuhörte, einer Stimme, die alterslos war, Worten, die so gewichtig waren, als habe er sie schon mehrere Leben lang mit sich herumgetragen. Er spürte die Gier in mir, all das zu lernen, was mir bislang verschwiegen worden war, und später, beim Abschied, sagte er zu mir, die erwachsenen Schüler seien jene, die dem Lehrerdas Wissen entreißen, die jungen Schüler hingegen erwarteten, der Lehrer müsse das Wissen in sie hineinschmuggeln, ihr wißt ja, mit Gewalt kann der Mensch nehmen, aber nicht geben. So führte er mich in den langen Tagen, die wir in Kazeh verblieben, durch Wälder des Wissens, die ich nie zuvor betreten hatte, Wälder, in denen Kräuter wuchsen, ich meine wirkliche Kräuter, viele verschiedene Kräuter, die zu vielen verschiedenen Zwecken nützlich waren. Das Wissen über diese Kräuter war gesegnet, denn sie konnten bei der Geburt helfen, und sie konnten Kopfschmerzen verjagen, und sie konnten blutende Wunden stillen, aber sie waren auch gefährlich, denn sie konnten einen Menschen vergiften, und nicht nur einen Menschen.
    – Der Mganga war dein Freund.
    – Er hat mein Leben berührt. Jeden Tag verbrachte er etwas Zeit mit mir und mit meinem neuen Bruder, trotz seiner vielen Sorgen, und manchmal unterhielten wir uns nur, und manchmal merkten wir gar nicht, wie wir seine Weisheit aufnahmen, sie war wie der Zucker im Kaffee, es war angenehm und schön, aber erst im nachhinein stellte ich fest, wie sich seine Worte in mein Gedächtnis eingegraben hatten und welchen Wert sie besaßen.
    – Welche Weisheit denn, Baba Sidi? Auch die Weisheit besteht aus Einzelheiten.
    – Er hat diesem rohen Brocken von einem Mann den Wert der Höflichkeit beigebracht.
    – Oh, Mama, Mutter von Hamid, wie schön, du hast uns nicht vergessen.
    – Er hat ihm beigebracht, die Frauen zu ehren. Denn davor war euer Freund ein Mensch, der nur von dem Mannsein etwas wußte.
    – Sie hat recht. Ich hatte keine Erinnerung an meine Mutter, im Haushalt des Banyan gab es keine Frauen, und in Sansibar lebte ich mit einigen Brüdern in einem kleinen Haus. Ich hatte schon ein ganzes und ein halbes Leben ohne Frauen verbracht.
    – Ich war diesem Mganga dankbar, ihr könnt euch nicht vorstellen, wie dankbar ich ihm war.
    – Er konnte so schön reden, ich merkte mir alles, was er sagte, ichkonnte seine Worte nicht vergessen, es war so, als würde mein Kopf mitschreiben. Nie sagte er genau, was er meinte. Er redete in Ornamenten, die nur aus einem gewissen Abstand betrachtet einen Sinn ergaben. Wenn du in eine Gegend kommst, so sprach er etwa, in der du ein Fremder bist, wirst du Hunger haben. Und wenn du einer Frau begegnest, die dich nicht kennt, wirst du sie um Essen bitten wollen. Du wirst sie begrüßen, und du wirst zu ihr sagen: Die Art, wie Frauen ihre Kinder gebären, ist überall gleich, die Schmerzen sind gleich, das Glück ist gleich. Das ist das Maß der Höflichkeit. So sprach er, und er legte immer eine Pause ein, irgendwo am stillen Mittelpunkt seiner Weisheit.
    – Ich hörte auch zu, ich saß einige Schritte hinter den Männern, ich hatte mein Gesicht dem Boden zugewandt, aber ich hörte aufmerksamer zu als alle anderen, und was ich hörte, das wandte ich sofort an, bei diesem fremden Kerl, der jetzt mein Ehemann war, und so löste sich meine Unsicherheit, wie ich ihn behandeln sollte, allmählich auf.
    – Das ist viel besser, fuhr der Mganga fort, als wenn du sagen würdest: Ich habe Hunger. Die Frau wird dir etwas zu essen geben, denn du hast sie an ihre eigenen Kinder erinnert, an die Liebe, die sie

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