Der Weltensammler: Roman (German Edition)
für ihre eigenen Kinder empfindet. Sie wird an die Stelle deiner Mutter treten, und sie wird dich ›mein Sohn‹ nennen, und sie wird sogleich beginnen zu kochen, was immer sie vorrätig hat.
– Und dieser Kerl, der bei euch sitzt und die Ausdauer der Sprache prüft, er hat sich zu meinem großen, jungen Erstaunen an diesen Ratschlag wie auch an die anderen Ratschläge des Mganga gehalten, er entdeckte mich in den Tagen, die wir in Kazeh verbrachten, er entdeckte mich mit den Augen einer neuen Achtung, und er behandelte mich mit den Gesten einer neuen Höflichkeit. Gedankt sei den Vorfahren.
– Gott sei gedankt.
– Und der Mutter dieses Mganga, denn sie hat mir die Lust und vielleicht das Leben geschenkt, sie hat mir Kräuter gegeben, die ein neues Leben in meinem Bauch verhinderten. Ich hatte diesem Sprücheklopfer, der dort unten bei euch sitzt, immer noch nicht das erlaubt, was er am liebsten getan hätte, ich habe mich nicht nur vorseiner Fremdheit gehütet, ich hatte Angst, auf dem Marsch schwanger zu werden, ich war überzeugt, in dieser Karawane nur ein Totgeborenes zur Welt bringen zu können.
– Gott behüte!
– Alles ist gut geworden. Ich habe die Kräuter gekocht, ich habe ihren Saft getrunken, und ich habe, nach einem weiteren Versprechen seiner neuen Höflichkeit, diesem Mann, an den ich verkauft worden war, erlaubt, das Bett mit mir zu teilen. Und unser erster Sohn Hamid, er wurde erst geboren, als wir ein festes Haus hatten, hier in Sansibar.
– Mutter von Hamid, meine Frau läßt dir Grüße ausrichten. Sie hat wieder Schmerzen in den Gelenken, sie bittet dich, ihr einen Besuch abzustatten.
– Ich werde gleich zu ihr gehen, Baba Ishmail, bevor das Abendessen sich vordrängt.
– Das hast du gut eingefädelt, mein Freund.
– Es ist die Wahrheit.
– Natürlich, aber diese Wahrheit kam gelegen.
– Dieser Mganga, er beeindruckt mich sogar aus so großer Entfernung.
– Er hat mir den Glauben wiedergegeben, meine Brüder, dieser Mann hat mir einen Glauben gezeigt, der tiefer in mich hineinreichte, als alles andere, was ich zuvor erfahren hatte. Durch ihn wurde mir bewußt, was mir fehlte. Ich wandelte unvollständig durch das Leben, ich empfand eine Trauer, als hätte ich etwas verloren, das mir am Herzen lag, und doch konnte ich mir selbst nicht antworten, was es war, das ich täglich zu vermissen meinte. Wir haben eines Abends das Essen geteilt, und er hat mich aufgefordert, die Bananenblätter auf der Matte zu verteilen, für all jene, die dem Mahl beiwohnen würden. Aber wir sind doch nur zu zweit, sagte ich. Ich habe auch meinen Vater eingeladen, sagte er, und auch den Vater meines Vaters. Ich hielt inne, ich wußte, sie waren beide tot. Wir werden den Vorfahren eine Opfergabe darreichen? fragte ich unsicher. Sie werden mit uns essen, sagte der Mganga. Wir nahmen Platz, neben uns zwei Blätter, hinter denen keiner saß. Der Mganga stellte mich seinem Vater und dem Vater seines Vaters vor. Und du, fragte der Mganga,kennst du niemanden, denn du einladen möchtest? Und ich konnte nur schweigen.
– Was ich nicht verstehe, Baba Sidi, vom Glauben sprichst du, aber nicht vom Gebet? Bei diesem anderen Glauben, wie sieht das Gebet aus?
– Es gibt kein vorgeschriebenes Gebet, so wie du es kennst.
– Wie kann das sein!
– Ein Gebet, das gestaltet ist wie ein Gesetz, das braucht es nur, wenn das Gebet eine Ausnahme bleibt, wenn du aus deinem Leben heraustrittst, um zu beten. Wenn aber jeder deiner Atemzüge ein Gebet ist, wenn jede deiner Taten ein Gebet ist, wenn du Gott ehrst, weil du in Gott bist, dann braucht es kein anderes Gebet. Im Gegenteil: Das ist das höchste aller Gebete. In der Moschee ist das Gebet nicht mehr als eine Erklärung unserer Absichten, gut gemeint und für alle sichtbar, es ist wie ein Boot, das du auf dem Land seetüchtig machst, aber die Prüfung findet erst nach dem Auslaufen statt, wenn du in den ersten Sturm gerätst. Wer will dann wissen, wie gut das Boot aussah, als es noch am Strand lag? Glaubt ihr, daß Gott in den Augenblicken unseres Versagens unsere Gebete nachzuzählen beginnt?
– Baba Sidi hat recht. Richtig zu leben ist das beste Gebet.
Burton kann es sich nicht erklären, wieso Snay bin Amir ihm bereitwillig hilft. Auf Geheiß des Sultans? Oder weil er, seit er sich in Kazeh niedergelassen hat, arabische Gewänder angelegt hat und sich allem Anschein nach wie ein Araber benimmt, so daß Bombay, bei einer flüchtigen Begegnung
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