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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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zwischen Häusern, an ihm vorbeischritt wie an einem Unbekannten. Er war tief beeindruckt, der kleine Mann, als er seinen Namen hörte und die Stimme des Bwana Burton erkannte, der ihm scherzhaft zuwarf: Ich habe einen neuen Namen, wir sind jetzt miteinander verwandt, ich heiße Abdullah Rahman Bombay. Würde sein selbstverständlicher Umgang mit den Arabern erklären, wieso Snay bin Amir ihm bei den Auseinandersetzungen mit Said bin Salim und den Belutschen zur Seite stand?Mit seiner Hilfe erstickt er die unverschämten Forderungen nach mehr Lohn und mehr Proviant im Keim. Wieso verbringt Snay bin Amir geradezu unbegrenzt viel Zeit mit ihm, kurzweilige Stunden, in denen er ihm die Grundzüge der Nyamwezi-Sprache erklärt oder des nördlichen großen Sees, den die Einheimischen Nyanza nennen, skizziert? Als Burton diese Frage nicht mehr zurückdrängen kann, lacht Snay bin Amir, verweist auf Gastfreundschaft und auf gegenseitige Sympathie, und dann sagt er: Wieso denkst du, daß wir Händler etwas zu befürchten haben von der Ankunft der Briten? Im Gegenteil. Unser Geschäft wird leichter werden. Und was ist mit der Sklaverei? fragt Burton. Wir hängen nicht am Menschenhandel. Wir werden mit Gold handeln oder mit Holz oder mit Zucker. Wer sollte uns vertreiben? Sieh dich um, glaubst du, daß deine Landsleute in Scharen in staubige Außenposten wie diesen strömen werden, um ein Leben zu führen, das uns beglückt, sie aber unglücklich machen wird? Nein, sie werden sich damit begnügen, mit uns zusammenzuarbeiten, es wird für sie angenehmer sein und profitabel genug. Oder aber, denkt Burton, ihr werdet euch zurückziehen und das Land denjenigen überlassen, die nichts anderes kennen.
    Er fühlt sich wohl in Kazeh. Er sitzt an einem kleinen Schreibtisch, den die Araber ihm ins Zimmer gestellt haben. Eine besänftigende Pause. An diesem unerwartet entzückenden Zwischenziel. Nein, nicht wirklich entzückend. Aber genügend, hinreichend, was vielleicht mehr wert ist. Die buddhistischen Studenten, einst in Indien – er erinnert sich an ein bemerkenswertes Paradox –, sie durften engere Zellen bewohnen, wenn sie im Studium Fortschritte erzielten, sie erfuhren das Privileg, ihr Einzelzimmer aufzugeben und sich mit anderen Kommilitonen in eine halb so große Unterkunft zu zwängen. Er hat ein ganzes Semester im Busch verbracht; er ist nun weise genug, einen Ort wie Kazeh wertschätzen zu können. In diese ungewohnte Genügsamkeit hinein melden sich Zweifel an dem Sinn ihrer Unternehmung. Er wäre fast verreckt, er hätte fast den Verstand verloren, sein Körper ist ausgebeutet, bis an die Grenze möglicher Rekonvaleszenz, und was wiegt das auf, welcher Erfolg entschädigt für diese Opfer? Er hat Kazeh erreicht, ein Dorf. DenBuddhisten wäre sein Zweifel Ausdruck von anhaltender Eitelkeit. Ist es wenig, daß er, der ausgezogen ist, die Welt zu erobern, sich mit einem staubigen, kleinen Nebenplatz zufriedengibt? Wenn auch nur vorübergehend. An Oasen erfreut man sich nur, wenn man zuvor die Öde durchschritten hat. Er weiß jetzt mit Sicherheit, es gibt zwei Seen, und vielleicht fließt der Nil aus einem der beiden. Vielleicht sind es vier Seen? Die Gleichgültigkeit, die er in sich verspürt, sie kann nicht andauern.
    Später sitzt er an dem kleinen Tisch, viele Stunden lang, und beantwortet die Briefe, die ihn in Kazeh erwartet hatten, willkommene Briefe, bürgen sie doch für eine Welt, die in einer fahlen Erinnerung verschwindet. Ein bedrückender Brief von seiner Familie gibt ihm grauenhafte Nachricht von seinem Bruder, ein Schreiben aus Sansibar teilt ihm den Tod des britischen Konsuls mit. Obwohl Burton diesen Tod erwartet hatte, geht ihm die Kunde nahe. Der gute Mann war nicht nach Irland zurückgesegelt. Er muß dem Nachfolger einen umfangreichen Bericht schicken. Hoffentlich nimmt sich dieser der Versprechen seines Vorgängers an. Und noch ein weiterer Tod wurde ihm zugetragen, jener von General Napier. An seinem Totenbett hatte sein Schwiegersohn McMurdo gestanden und, als der General seinen letzten Atemzug aushauchte, das Banner des 22. Regiments über den Sterbenden geschwenkt.
    Was treibst du denn da? So wie es aus dem Mund von Speke klingt, scheint es Burton, als wolle er sagen: Was hast du denn schon wieder zu schreiben? Ich notiere einige Gedanken, Jack, nur einige Gedanken, bevor sie entschwinden. Möchtest du mir etwas vorlesen? Nicht jetzt. Du weißt doch, ich habe eine Schwäche für Gedanken. Ich

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