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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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habe einen Brief erhalten, von meiner Schwester. Mein Bruder ist am Kopf verwundet worden, in Sri Lanka, er ist so schwer am Kopf verletzt, er erkennt niemanden. Er könnte noch ein halbes Jahrhundert leben, sagen die Ärzte, ohne sich selbst zu erkennen oder einen von uns.
    Tut mir leid, Dick. Dein Bruder, Edward, oder? Er war … ein feiner Kerl, ja … vor so einem Schicksal habe ich Angst. Es würde mir nichts ausmachen, in Afrika getötet zu werden, wenn es denn so sein soll, aber von diesem Fieber verschleppt und gefangengehaltenzu werden, gefoltert, aber nicht getötet, die Vorstellung macht mich närrisch.
    Komm, wir müssen raus, laß uns einen Spaziergang machen. Wir werden uns vorstellen, wir wären in Devon.
     
     
     
    SIDI MUBARAK BOMBAY
    – Deine Reise, Baba Sidi, sie ist mir nach all unseren gemeinsamen Abenden so vertraut wie meine eigenen Reisen. Aber dieser Mzungu, dieser Bwana Burton, er war mir ein Rätsel von Anfang an, er ist mir ein Rätsel geblieben.
    – Weil ich das Rätsel selber nicht lösen kann, Baba Ishmail, ich kann ihn nicht zur Gänze beschreiben, weil er sich mir nie ganz gezeigt hat. Ich hatte immer den Eindruck, er stünde auf der anderen Uferseite und es gebe keine Fähre, mit der sich der Fluß zwischen uns überwinden ließe. Ich glaube, er war kein schrecklicher Mensch, es war der Mensch, der er vorgab zu sein, der mich erschreckte. Ich bin mir sicher, er hat nie einen anderen Menschen umgebracht, doch es gefiel ihm, uns alle glauben zu machen, er sei dazu in der Lage. Bwana Burton, er wurde getrieben von Dschinns, die allen anderen fremd waren, Dschinns, die er keinem verständlich machen konnte, nicht mir, nicht den Trägern, nicht den Belutschen oder den Banyan und nicht einmal Bwana Speke. Es läßt sich einfacher leben, wenn deine Dschinns den anderen Menschen bekannt sind. Das war auch der Grund, vermute ich, wieso er die Verzweiflung der anderen selten spürte, er war wie ein alter Elefant, der sich von der Herde zurückgezogen hat und stets allein am Wasserloch trinkt. Bwana Speke war anders, auch er hielt sein Wesen verborgen, aber wenn etwas sichtbar wurde, dann sah ich, wer er war, was er fühlte. Er konnte schrecklich sein, aber er war mir näher. Er hat mich manchmal wie einen Hund behandelt und manchmal wie einen Freund.
    – Hast du nicht gesagt, mit den Wazungu könne es keine Freundschaft geben?
    – Das stimmt, das habe ich gesagt. Bwana Speke war eine Ausnahme. Wir haben so viele Monate zusammen verbracht, er hat mirvertraut, zum Schluß hat er nichts vor mir verheimlicht, nicht einmal, was er dachte. Es ist eine seltsame Sache, er fand nichts Anstößiges daran, mir zu erklären, Menschen wie ich wären weniger wert als die Wazungu.
    – Menschen wie du? Welche Menschen sind das?
    – Die Afrikaner, sagte er. Ich fragte ihn, ob er denn die Menschen von Sansibar oder die Wagogo oder die Nyamwezi meinte. Er antwortete: Ihr alle. Und als ich ihn fragte, wie es sein könne, so viele verschiedene Menschen, die alle weniger wert seien als er und seinesgleichen, da verwies er auf die Bibel, auf das heilige Buch der Menschen mit dem Kreuz auf der Brust, und er erzählte mir die Geschichte von Noah, die wir auch kennen, aber unsere Geschichte ist eine andere, wie ihr gleich erfahren werdet, er interessierte sich weniger für den Propheten Noah und seine Ermahnungen und Warnungen, als für seine Söhne, seine drei Söhne mit den Namen Sem, Ham und Jafet. Hört zu und wundert euch, denn von diesen drei Söhnen sollen alle Menschen auf Erden abstammen. Eines Tages soll Noah betrunken in seinem Zelt gelegen haben …
    – Der Prophet betrunken!
    – Von seinem eigenen Wein, und er habe sich beim Schlafen ungewollt entblößt, und Ham habe es bemerkt, er habe die Scham seines Vaters gesehen und es seinen zwei Brüdern zugetragen, die ihre Augen abwandten, während sie Noah mit einem Kleid zudeckten, und deswegen soll der Prophet die Kinder und Kindeskinder von Ham verflucht haben, auf ewig Sklaven der anderen Brüder zu sein. Eine merkwürdige Geschichte, die uns nichts anginge, wenn nicht Bwana Speke behauptet hätte, Ham sei unser Vorfahre, unser allererster Ahne gewesen, und daher müßten wir uns unterwerfen, denn er und die anderen Wazungu stammen von einem der anderen Brüder ab, ich habe vergessen, von welchem. Ist es nicht seltsam, die Wazungu, die keine Beziehung zu ihren nächsten Vorfahren pflegen, behaupten, genau über unsere Urahnen Bescheid zu

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