Der Weltensammler: Roman (German Edition)
seien, nachdem sie keine anderen Funde gemacht hätten, aber eines Tages hätten sie ihre Sachen zusammengepackt und seien verschwunden. Er schäme sich heute noch dafür. Eine erstaunliche Beichte, finden Sie nicht auch?
– Eine verjährte Lüge. Und das war alles?
– Nein, ich habe schon noch mehr aus ihm herausgeholt. Er hat gestanden, er sei an dem Tag, an dem er von der Königin Victoria zum Ritter geschlagen wurde, zu einem Drucker in ein verruchtes Viertel südlich der Themse geeilt, er habe den Empfang frühzeitig verlassen, um die Neuauflage eines Buches namens Kamasutra vorzubereiten. Ich war auch von dieser angeblichen Sünde wenig beeindruckt, bis er mir erklärte, was in diesem Buch steht. Ich kann es nicht wiederholen, es genügt zu sagen, es ist sündhaft durch und durch. Und er hat es nicht nur verlegt, er hat es auch übersetzt. Und dann hat er mir von fleischlichen Gelüsten in Afrika berichtet, denen er nachgegeben habe, mit drei Frauen, ein wahres Sodom, ich mußte ihn unterbrechen, ich hatte genug gehört. Ich habe ihm das te absolvo erteilt und ihn schnell hinauskomplimentiert. Es hatte so harmlos angefangen, und dann auf einmal …
– Wenn er in seinem Leben so viel gelogen hat, woher wissen wir, wo er in Fragen des Glaubens stand?
– Sie machen sich unnötig Sorgen. Er war Katholik. Basta.
– Woher wissen wir das?
– Er hat zu mir gesagt: Wenn schon Christ, dann wolle er am liebsten Katholik sein.
– Was für ein Glaubensbekenntnis.
– Seien wir Realisten. Wer glaubt schon aus freien Stücken.
– Ja, aber die Unfreiheit sollte von Gott bestimmt sein.
– Ach, da fällt mir ein, er hat noch etwas gesagt, Sie werden sehen, er hatte einen ausgeprägten Sinn für Humor: Er sei Katholik, weil es in Triest leider keine Elchasiten gebe. Sehnsucht nach den Elchasiten, haben Sie so etwas schon einmal gehört?
– Was bedeutet das? Was bedeutet das für mich?
– Sie sollten die Angelegenheit hinter sich lassen.
– Hat er Gott wenigstens gesucht?
– Durchaus, und wie die meisten Menschen selten gefunden. Er hatte einen ungewöhnlichen Standpunkt in dieser Frage. Kein Mensch wird Gott wirklich begegnen, erklärte er mir einmal bei einem festlichen Dinner. Denn was würde geschehen? Seine Persönlichkeit würde sich auflösen, er würde in Gott aufgehen. Kein Ichmehr, keine Zukunft mehr, er würde ins Ewige übertreten. Wer würde schon ein Mensch bleiben wollen, wenn er in Gott sein könnte. Bemerkenswerte Logik, nicht wahr?
– Was folgte für ihn daraus?
– Daß wir suchen wollen, natürlich, aber auf gar keinen Fall finden. Genau das habe er ein Leben lang getan, sagte er. Er habe überall gesucht, die meisten Menschen hingegen, die würden immer wieder in denselben Topf blicken. Dann schaute er mir forsch in die Augen. Etwas verschmitzt, muß ich sagen.
– Sie halten daran fest, er war Katholik?
– Sagen wir es so, er war ein Katholik ehrenhalber.
– Das überfordert mich. Wieso haben Sie mich hingeschickt?
– Weil ich ungern mitten in der Nacht aus meinem Bett gescheucht werde. Jetzt lassen Sie diese Angelegenheit ruhen, bevor sie mir lästig zu werden beginnt.
Richard Francis Burton starb früh am Morgen, noch bevor man einen schwarzen von einem weißen Faden hätte unterscheiden können. Über seinem Kopf hing eine persische Kalligraphie, auf der geschrieben stand:
Auch dies wird vergehen.
1998-2003: Great Eastern Royale, Bombay Central, Mumbai, Indien
2003-2005: Strathmore Road, Camps Bay, Kapstadt, Südafrika
GLOSSAR
Aarti: hinduistisches Ritual nach Sonnenuntergang
Abba: Halstuch
Aira, Gaira natthu Khaira: ›Hinz und Kunz‹, auch ›Tom, Dick and Harry‹ oder ›Suljo i Puljo‹
Ajami: ›Nichtaraber‹, meist verwendet, um die Perser zu bezeichnen, von manchen abfällig, von anderen neutral
Alif und Baa: ›A und B‹, erster und zweiter Buchstabe des arabischen Alphabets
Alim: Schriftgelehrter im Islam
Angrezi: Engländer (Hindi)
Anna: der alte indische Pfennig
Are Baapre: ›Oh Gott‹, Ausruf der Verwunderung, des Entzückens, des Erschreckens usw.
Aste aste: langsamer als langsam
Azaan: Gebetsaufruf
Baba: ›älterer Mann‹, respektvolle Anrede, auch gegenüber Heiligen
Badhahi: Schreiner
Bandara: Affe (Hindi)
Banyan: ursprünglich eine Händlerkaste aus Gujarat, in Ostafrika generelles Synonym für Inder
Baraza: steinerne Bank an der Fassade des Hauses, auf der oft die Besucher Platz nehmen, die nicht zur
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