Der Weltensammler: Roman (German Edition)
Männern im ersten Augenblick, und der Diener wundert sich, ob er einem häßlichen Scherz aufgesessen ist. Doch der Gestank des Todes steigt ausder Erde. Der Diener bleibt zögerlich stehen. Wie würde er sich jemals von der Beschmutzung befreien können, nachdem er diesen unreinen Boden betreten hat? Der Herr hingegen, den die Unwissenheit schützt, geht weiter, die Leiche beschwert seinen Gang, er tritt auf liegengebliebene Knochen, ein Geräusch, so als würden die Zähne eines Ungeheuers knirschen. Der Diener zieht sich ein Ende seines Turbans über den Mund und folgt. Vor ihnen flackern die gespenstischen, düsterroten Flammen, als seien sie Schakale, die die kläglichen Überreste menschlichen Lebens verschlingen und abnagen bis auf die weißen Knochen. Über dem Feuer schweben flüchtige Gestalten, die zu prüfen haben, ob die Körper, von denen sie befreit worden sind, zu Asche verbrannt sind, in Wartestellung, bis der neue Körper, den sie bewohnen sollen, bereit ist, sie aufzunehmen. Es gibt auch jene, die in der Smashaana heimisch sind. Die Geister von heimtückisch Erschlagenen gehen umher mit blutenden Gliedern, gefolgt von den Skeletten ihrer Mörder, deren brüchige Knochen von einigen letzten Sehnen zusammengehalten werden. Derweil der Wind weiterjammert und der angeschwollene Fluß mit dem Blut aller Vergeblichen gurgelt. Die beiden Männer, die den Mut mehrerer Leben verbraucht haben, sind nicht allein. Am anderen Ende der Verbrennungsstätte sitzt eine Gruppe Elender zusammen, unter einer Plane, die vergeblich dem Wind und dem Regen trotzt. Mitten in der Gruppe sitzt der Mann mit dem halben Gesicht, neben ihm ein Stab, der fest im Boden steckt. Er ist gekleidet in einem ockerfarbenen Dhoti, sein Oberkörper nur von langen Haaren bedeckt, die in fettigen, verlausten Zöpfen herabfallen. Es ist das Haar eines Pferdes. Weiße Striche aus Kalk zäumen seinen Körper ein, und um die Hüfte trägt er ein Korsett aus Knochen. Wenn er sich nicht bewegt, ist er eine Statue. Er steht auf. Ihr seid da, sagt er. Es ist kein Willkommensgruß. Und das da wollt ihr loswerden. Sprich nicht so über sie, unterbricht ihn der Herr. Und der Diener wundert sich, ob er noch bei Verstand ist. Wir haben etwas Holz gehortet. Wir sind den Schattengewächsen zugetan, deswegen werden wir für die Verbrennung jener, die wir nicht kannten, die wir aber als eine von uns betrachten, Sandelholz beigeben. Ihr Abschied wird besser riechen als der Abschied eines Nagar Brahmanen. Der Herr legt denLeichnam auf den Boden. Nichts weiter wird von euch verlangt. Im Gegenteil, wir wollen, daß ihr verschwindet. Ihr seid unbrauchbar, es sei denn als Zeugen eures eigenen Albtraums.
42.
OHNE HINDERNISSE
– Ich war erstaunt, in der Bombay Times von letzter Woche zu lesen, was für Erfolge wir bei der Missionierung zu verzeichnen hätten.
– Angesichts der Umstände, Leutnant Awdry, stehen wir nicht schlecht da.
– Nicht schlecht? Na ja. Kann es noch schlechter bestellt sein?
– Wir dürfen nicht ungeduldig sein.
– Bien sûr, Geduld ist oberste Bürgerpflicht.
– Sie wollen nicht ernsthaft bezweifeln, daß es vorangeht? Langsam und bedächtig, das räume ich gerne ein.
– Reverend Posthumus, mir scheint, die bisherigen Resultate stehen im groben Mißverhältnis zu den eingesetzten Mitteln. Die Hindus, mit halb soviel Geld und in der halben Zeit, hätten bei uns doppelt so viele Konvertiten gewonnen.
– Das ist ja die Höhe, Mr. Burton!
– Blödsinn, Dick, du weißt doch selber, die Hindus konvertieren nicht.
Großes Dinner in der Messe. Zwischen zwei Vorsitzenden an beiden Enden eines langen Tisches, zwei alten Herren, deren Gehirne in der Hitze geschmolzen waren und die sich nur noch an das erinnern konnten, was ihnen am intensivsten eingeimpft worden war, an den Drill. Sie ließen nicht zu, daß ernsthafte Gespräche das Abendessen vergifteten, eine Selbstbeschränkung, der sie bei diesem Anlaß nicht gewachsen waren, denn der eine Alte hatte sich in den ersten Regentagen eine solide Erkältung zugezogen, er war von seinem Schniefenvöllig in Beschlag genommen, und der andere hörte nur, wenn man in sein Ohr brüllte. Er lächelte über das angeregte Gespräch zwischen Richard Burton, Leutnant Ambrose Awdry und Reverend Walter Posthumus und schob sich ein gekochtes Stück Truthahn in den Mund.
– Weises Volk, weiser als wir. Freiwillige Missionierung? Das ist eine Contradictio in adjecto. Wieso waren
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